Umsonst-Nachhilfe wirkt: Immer weniger Sitzenbleiber

Schulsenator Rabe zieht positive Bilanz: 13 Prozent aller Schüler nehmen an kostenloser Nachhilfe teil. Die Hälfte kam weg von der Fünf.

Statt Sitzenbleiben: Wer auf Fünf steht, muss in Hamburg Nachhilfe nehmen. Bild: dpa

Nicht kleckern, sondern klotzen, dachte sich SPD-Schulsenator Ties Rabe als er 2011 ein verpflichtendes Nachhilfe-System aus der Taufe hob, um die Abschaffung des Sitzenbleibens zu flankieren. Alle Schüler, deren Leistungen in einem Hauptfach nicht ausreichend sind, müssen seither verpflichtend an kostenlosen Nachhilfekursen teilnehmen.

Nun zog Rabe nach drei Jahren Bilanz. Man habe eine „schülergerechte Lösung“ gefunden. Das Modell ist landesweit an 327 Schulen implementiert. 13 Prozent der Schüler bekamen Nachhilfe, vorwiegend in Mathe, Englisch und Deutsch.

Die Kosten in Höhe von elf Millionen Euro werden zum Teil aus dem Bildungs und Teilhabepaket des Bundes gedeckt. Die Kritik daran, dass hier alle Kinder von einer nur für Arme gedachten Förderung profitieren, wies Rabe zurück: So sei ein diskriminierungsfreier Zugang geschaffen. Und in anderen Bundesländern würden diese Mittel oft ungenutzt verfallen.

23.103 Kinder wurden im ersten Halbjahr dieses Schuljahrs in insgesamt 6.884 Kleinkursen mit durchschnittlich drei bis vier Schülern gefördert. Knapp die Hälfte, genau 10.937, hatten nach einem Halbjahr ihre Lernrückstände aufgeholt und konnten die Nachhilfe wieder verlassen, weil sie nicht mehr auf Fünf standen.

Der parteilose Abgeordnete Walter Scheuerl kritisiert in einer Mitteilung: „Staatliche Nachhilfe erfüllt nicht die Erwartungen“, denn schließlich habe die andere Hälfte das Ziel nicht erreicht. Rabe hält dagegen, man könne nicht erwarten, dass jeder Schüler sofort von der Fünf runter kommt. Er hat eine Evaluation über die Qualität seines Nachhilfe-Programms beim Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung beauftragt.

Nicht nur Scheuerl, auch CDU und die FPD fordern mittlerweile immer lautstärker die Wiedereinführung des Sitzenbleibens. Es könne nicht sein, dass dies von der Schulbehörde genehmigt werden muss und zum „Gnadenakt“ werde, kritisiert CDU-Schulpolitikerin Karin Prien.

„Sitzenbleiben ist ja nicht verboten“, sagt Rabes Sprecher Peter Albrecht. „Wenn Lehrer, Schüler und Eltern dies wollen, kann dies beantragt werden.“ Die Schulaufsicht gucke dann noch mal drauf. Nur in Einzelfällen, deren Zahl statistisch nicht erfasst sei, werde dies nicht genehmigt.

Insgesamt hat sich die Zahl der Klassenwiederholungen von ehemals über 4.000 auf rund 2.300 in etwa halbiert und befindet sich seit Jahren im Sinkflug. Die „Ehrenrunden“ gelten nach wissenschaftlichen Studien als ineffektiv, weil die Schüler eher demotiviert werden, statt ihre Leistungen zu steigern. Trotzdem hält in Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung dies für sinnvoll.

Niemand wisse, wie nachhaltig die Erfolge der staatlichen Nachhilfe sind, monierte die Grüne Stefanie von Berg – auch weil die Evaluierung zu spät komme. „Gelingt es einem Kind, sich von einer 5 auf eine 4 zu verbessern, endet die Nachhilfe und gilt als erfolgreich – aber für wie lange?“, fragt sie.

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