Umschuldung und neues Rettungspaket: Schäuble will Griechenland retten
In einem Brief fordert der deutsche Finanzminister ein zweites Rettungspaket und eine Umschuldung für Griechenland. Mit Merkel oder der FDP war das nicht abgesprochen.
BERLIN taz | Deutschland ist bereit, sich an einem zweiten Rettungspaket für Griechenland zu beteiligen. Aber die Bundesregierung fordert eine Umschuldung: Die Banken müssten einen "substanziellen Beitag" leisten.
Dies geht aus einem Brief hervor, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an seine Kollegen in der Eurozone geschrieben hat.
In dem auf Englisch gehaltenen Schreiben, das auch an EU-Währungskommissar Olli Rehn, EZB-Chef Jean-Claude Trichet sowie den Internationalen Währungsfonds ging, verliert der Finanzminister nicht viele Worte. Schon im ersten Absatz kommt Schäuble zum Punkt: Ohne ein weiteres Rettungspaket bestehe die "reale Gefahr, dass es zur ersten ungeordneten Staatspleite in der Eurozone" kommt. Denn es sei "mehr als unrealistisch", dass sich Griechenland ab 2012 wieder Geld bei privaten Investoren leihen könne.
Griechenland braucht noch mehr Geld
Griechenland hatte im vergangenen Frühjahr Rettungskredite von 110 Milliarden Euro erhalten. Doch diese Zusagen reichen nicht. Ein Grund: Durch die Rezession brechen die griechischen Steuereinnahmen ein. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt inzwischen bei 16,2 Prozent, wie das Statistikamt in der Hauptstadt Athen gestern meldete.
Wie hoch der zusätzliche Kapitalbedarf der Griechen sein könnte, wollte Schäuble in seinem Brief nicht beziffern. Die gängigen Schätzungen schwanken zwischen 60 und 100 Milliarden Euro.
Etwas vage ist auch, wie sich der Bundesfinanzminister die Umschuldung konkret vorstellt. Seinem Brief ist nur zu entnehmen, dass die Banken ihre griechischen Staatsanleihen in neue Anleihen umtauschen sollen, deren Laufzeit um sieben Jahre verlängert wird. Offen bleibt jedoch, ob diese Umtauschaktion freiwillig ist oder ob die Banken dazu gezwungen werden. Ausgeblendet wird auch die Frage, ob die Investoren niedrigere Zinsen akzeptieren sollen.
Verluste für deutsche Banken
Eine Umschuldung würde Verluste für die deutschen Banken bedeuten: Sie besaßen Ende 2010 griechische Staatsanleihen im Wert von 23 Milliarden Euro, wie neueste Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zeigen. Vor allem die Bad Bank der verstaatlichten Hypo Real Estate wäre betroffen, denn sie hat griechische Anleihen zu einem Nominalwert von 10,8 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen.
Wie aus Schäubles Brief hervorgeht, hofft er auf eine europäische Einigung noch vor dem 20. Juni. Dann treffen sich die Finanzminister der Eurostaaten in Luxemburg.
Zumindest Schäuble geht davon aus, dass er die Meinung der gesamten Bundesregierung vertritt. Gleich im ersten Satz seines Briefes an seine Amtskollegen in der Eurozone kündigt er an, dass er "die deutsche Haltung" darlegen werde.
Das Kanzleramt dagegen äußerte sich weniger eindeutig. Für eine abschließende Position wolle man zunächst den Bericht der "Troika" abwarten, erläuterte Vize-Regierungssprecher Christoph Stegmans am Mittwoch. Diese Dreiergruppe aus Internationalem Währungsfonds, EU und EZB hatte Finanzexperten nach Athen entsandt, um die griechischen Sparbemühungen zu kontrollieren. Schon seit Tagen wird darauf gewartet, dass die Troika ihre Ergebnisse endlich veröffentlicht. Diskussionsbedarf haben auch die Regierungsfraktionen. FDP und Union wollten am Mittwochabend beraten, ob sie ein zweites Rettungspaket für Griechenland unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist