Umlage auf Offshore-Windstrom: Verbraucher zahlen Öko-Zeche
CSU-Ministerin Aigner kann sich nur teilweise durchsetzen: Stromkunden sollen Haftungskosten für die Netzanbindung von Windparks auf See mitbezahlen.
BERLIN taz | Stromkunden müssen mit einer zusätzlichen finanziellen Belastung durch die Energiewende rechnen. Energieunternehmen dürfen künftig Haftungskosten für Windparks in Nord- und Ostsee auf die Verbraucher umlegen.
Mit ihrem Versuch, den Beitrag der Privathaushalte wesentlich zu reduzieren, kann Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sich offenbar nicht durchsetzen. Darauf deutet ein Kompromiss hin, der nach Informationen der taz zwischen Verbraucher-, Wirtschafts- und Umweltministerium ausgehandelt wurde.
Umweltminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Donnerstag, die Regelung werde voraussichtlich am kommenden Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen. Die neue Umlage für die Stromkunden könnte 0,25 Cent pro Kilowattstunde betragen. Für einen Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 2.000 Kilowattstunden würde die Rechnung damit um 5 Euro steigen. Der monatliche Zusatzbeitrag betrüge rund 40 Cent.
Zum Vergleich: Für einen entsprechenden Haushalt macht die Öko-Umlage für die Energiewende zurzeit – 3,59 Cent pro Kilowattstunde – etwa 6 Euro monatlich aus. Trotz der relativ geringen Summen ist die Erhöhung für die Regierung heikel, weil FDP, Industrieverbände und Verbraucherschützer die aus ihrer Sicht zu hohen Kosten der Energiewende kritisieren.
Schwierigkeiten bei der Kapitalaquise
Im aktuellen Fall geht es um die Haftung für nicht rechtzeitig fertiggestellte Netzanbindungen von Windparks auf dem Meer. Bisher haftet vor allem der Netzbetreiber Tennet, wenn er die Gleichstromkabel auf dem Meeresgrund nicht planmäßig verlegt, der Windstrom nicht eingespeist wird und den Eigentümern der Rotoren damit Verluste entstehen. Die Haftungskosten, die schnell in die Milliarden steigen, meint das Unternehmen nicht selbst tragen zu können. Außerdem fällt es Tennet schwer, Geldgeber und Kapital zu akquirieren. Damit der Ausbau der Windparks nicht noch mehr ins Stocken gerät, will die Regierung der Firma nun helfen.
In bestimmten Fällen sollen beispielsweise 80 Prozent der Entschädigungen, die der Netzbetreiber an einen Windpark zahlt, auf die Stromkunden umgelegt werden. 20 Prozent müssen die Kabelfirmen selbst tragen. Für Stromkunden, die bis zu einer Million Kilowattstunden pro Jahr verbrauchen, beträgt der Aufschlag auf die Umlage 0,25 Cent pro Kilowattstunde. Große Stromverbraucher, die mehr als eine Million Kilowattstunden abnehmen, sollen nur 0,05 Cent zahlen.
Diese „Ungleichbehandlung“ hatte Aigner kritisiert, ändern kann sie daran jedoch offensichtlich nichts. Nachgeben will das Wirtschaftsministerium aber wohl bei der Kilowattgrenze: Ursprünglich sollte der ermäßigte Betrag schon Firmen ab 100.000 Kilowattstunden zugute kommen, nun gilt er nur noch für große Stromverbraucher.
Der Kompromiss soll offenbar immerhin verhindern, dass die Energiefirmen weitere Kosten auf die Kunden umlegen. So müssen Netzbetreiber Haftungsfälle künftig dokumentieren und im Internet veröffentlichen. Die Bundesnetzagentur als Aufsicht soll die Zahlungen prüfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“