Umgehung von Nordkorea-Sanktionen: Kims Arbeiter am Persischen Golf
Tausende Nordkoreaner verdienen auf Baustellen in Golfstaaten Geld für Pjöngjang. Sie müssen die Hälfte ihres Lohns direkt weiterreichen.
„Die Golfregion ist für die Nordkoreaner ein bewährter Standort, um an Devisen zu kommen“, sagt Giorgio Cafiero, Leiter der in den USA ansässigen Risikoberatungsfirma Gulf State Analytics. Für die Bauunternehmer vor Ort hätten die Arbeiter aus dem international isolierten Land zudem einen sehr speziellen Vorteil, sagt Go Myong Hyun von dem südkoreanischen Politik-Institut Asan. „Sie laufen nicht weg.“
Die staatlich kontrollierte Entsendung von Gastarbeitern ist für Pjöngjang zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Die meisten der außer Landes geschickten Nordkoreaner arbeiten in China und Russland. Am Persischen Golf sind es aber ebenfalls mindestens etwa 6000, wie die Nachrichtenagentur AP von zwei Experten aus Kreisen der amerikanischen Behörden erfuhr. Allein in Kuwait sind es demnach 2500, in den Vereinigten Arabischen Emiraten 1500 und in Katar 2000.
In den Vereinigten Arabischen Emiraten sollen Arbeiter aus Nordkorea sogar am Ausbau des Luftwaffenstützpunktes Al Dhafra mitgewirkt haben, auf dem etwa 5000 US-Soldaten stationiert sind. Die Behörden des Golfstaates, der mit südkoreanischer Hilfe auch das erste Atomkraftwerk der Arabischen Halbinsel baut, ließen Anfragen mit der Bitte um eine Stellungnahme zu diesen Informationen unbeantwortet.
Die meisten Nordkoreaner würden in den Golfstaaten etwa 1000 Dollar (etwa 850 Euro) im Monat verdienen, sagten die beiden Kontaktpersonen der AP, die gegen Zusicherung von Anonymität Einblick in vertrauliche Berichte gewährten. Die Hälfte davon stecke Pjöngjang in die eigene Tasche. Da weitere 300 Dollar an Manager der Baufirmen zu zahlen seien, lägen die tatsächlichen Einnahmen der Arbeiter bei nur noch 200 Dollar. Oft müssten sie daher zu acht in 20 Quadratmeter großen Räumen leben und könnten sich kaum etwas zu essen leisten.
Angestellt über Subunternehmer
In den Vereinigten Arabischen Emiraten werden den Angaben zufolge noch in den kommenden Monaten weitere 1.000 Nordkoreaner erwartet. Das wegen seines umstrittenen Atomprogramms isolierte Regime betreibe in den Emiraten auch drei Restaurants, hieß es – zwei in Dubai und eins in Abu Dhabi. Weltweit sind es Schätzungen zufolge etwa 130 Restaurants, mit denen sich Pjöngjang Devisen beschafft.
In der Baubranche der Region werden Arbeiter oft über Subunternehmer zur Verfügung gestellt. Die Projektverantwortlichen seien sich daher manchmal gar nicht darüber im Klaren, dass Nordkoreaner für sie arbeiteten, sagten die Quellen der AP weiter. Auf diese Weise sei es vermutlich auch dazu gekommen, dass Gastarbeiter aus dem Land auf das Gelände des südlich von Abu Dhabi gelegenen Militärstützpunks gelassen worden seien. Ein Sprecher der US-Streitkräfte im Nahen Osten sagte, über nordkoreanische Arbeiter in Al Dhafra sei nichts bekannt. „Sollten dort welche sein, wären wir natürlich beunruhigt.“
Der Oman hat nach südkoreanischen Angaben im vergangenen Dezember 300 Nordkoreaner des Landes verwiesen. Etwa 80 sind Schätzungen zufolge aber noch immer dort. Kuwait, das Land mit der einzigen Botschaft Pjöngjangs in der Region, ließ 2016 eine Flugverbindung der staatlichen nordkoreanischen Gesellschaft Air Koryo streichen und vergibt seitdem auch keine Visa mehr.
„Weniger als 1.000“ Nordkoreaner
Katar räumte gegenüber der AP ein, dass im Land „einige wenige Unternehmen“ Arbeiter aus Nordkorea beschäftigten, seit 2015 aber keine neuen Visa mehr ausgestellt würden. Nach Angaben des Staates sind „weniger als 1.000“ noch im Land und deren Aufenthaltserlaubnis soll nicht verlängert werden. „Katar befolgt alle Sanktionen der UN gegen Nordkorea“, hieß es in einer Stellungnahme. Zudem wurde betont, dass zu keinem Zeitpunkt Nordkoreaner auf den Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 eingesetzt worden seien.
Sollte der internationale Druck steigen, würden die Golfstaaten wohl ohnehin nicht lange zögern, alle Verbindungen zu Nordkorea zu kappen, sagt der Experte Cafiero. Denn wirtschaftlich seien die unmittelbaren Gegner des kommunistischen Regimes sehr viel wichtiger. Japan und Südkorea würden in großem Umfang mit Öl und Gas beliefert. Die USA seien zudem ein enger militärischer Verbündeter. „Sollte es zu einem Konflikt kommen, hätten die arabischen Golfstaaten sehr viel zu verlieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was