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Umgang mit SchulvermeidernWillie will’s nicht wissen

Kommentar von Benno Schirrmeister

Niedersachsen pflegt die Wegsperrkultur: Schulvermeider bekommen häufiger Arrest als anderswo. Die Kultusministerin könnte das ändern. Wenn sie wollte.

Mit dem Schrecken des Arrests wollte Niedersachsen vor zehn Jahren brechen. So richtig klappt das aber nicht Foto: Swen Pförtner/dpa

K lingt ja schön, autonome Schulen. Nur gibt’s halt eine wachsende Zahl von Jugendlichen, die an der Einrichtung Schule scheitern und deswegen nicht mehr hingehen. Weil die Schulen dabei selbst oft Teil des Problems sind, wäre eine übergeordnete Instanz sinnvoll, um nach Lösungen zu suchen.

Anders als sein Pendant in Schleswig-Holstein, hält das von Julia Willie Hamburg (Grüne) geführte Ministerium in Niedersachsen sich und auch seine regionalen Schulämter aus dieser Frage weitgehend raus: Es setzt darauf, dass die Schulen das schon selber klären.

Und schaut ansonsten weg: Landesweite Zahlen? Erhebt es nicht. Forschung beauftragen? Wozu denn, wenn es keine alarmierenden Zahlen gibt?

Dafür gibt’s seit vergangenem Jahr eine Handreichung mit butterweichen Präventivmaßnahmen à la „Förderung eines positiven Schulklimas“ sowie die Empfehlung, im Falle eines Falles pädagogisch, notfalls erzieherisch, aber dann auch immer gleich ordnungsrechtlich Druck zu machen.

Das Ordnungsamt soll's richten

Und wenn diese „schulischen Maßnahmen ausgeschöpft worden sind …“, na, Sie können sich’s denken. Nein! Doch nicht das Ministerium behelligen! Weder Berichtspflichten noch Maßnahme-Kontrollen sind benannt, kein verbindliches Monitoringsystem, gar nichts. Dafür aber zitiert die Broschüre auf 26 Seiten gleich zehnmal die Ordnungsbehörde herbei und fünfmal noch die Polizei.

Rechtlich ist das nicht zu beanstanden. Formal begehen die Jugendliche, die Schule vermeiden, ja tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit. Aber es entspricht nicht dem verkündeten Kurs des Ministeriums.

Das behauptet, vorrangig auf Prävention zu setzen. Doch in seiner einschlägigen Broschüre wiederholt es letztlich nur mit milderen Worten den strikt ordnungsrechtlichen Geist des einschlägigen Runderlasses von 2016 und gibt darüberhinaus Handlungsempfehlungen, die so unverbindlich gemeinplätzig sind wie nur was. Die Folge ist, dass nur die wenig rühmliche Tradition Niedersachsens verstetigt wird: Probleme von Jugendlichen an diesen festzumachen und sie wegzuschließen.

Es wäre politisch, ökonomisch und pädagogisch geboten, sie zu beenden. Das wäre möglich, wenn das Ministerium das Thema an sich zöge, also wenn es mit Kommunen und Schulämtern einen gemeinsamen Weg suchen würde, das Problem zu bearbeiten.

Einen Weg, orientiert am Interesse der Jugendlichen und nicht daran, die Verletzung der heiligen Schulpflicht zu ahnden. Dafür aber müsste man im Ministerium aber erst einmal wissen wollen, was Sache ist.

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Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
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