Umgang mit Balkan-Flüchtlingen: Defensiver Aktionsplan

Die beschleunigte Bearbeitung von Asylanträgen betrifft auch Balkan-Flüchtlinge in Bremen. Weitere „Sonderbehandlungen“ soll es jedoch nicht geben.

Bewohner einer Roma-Siedlung im „sicheren Herkunftsland“ Serbien Foto: dpa

BREMEN taz | Der im Juni von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene „Aktionsplan“ zur beschleunigten Bearbeitung von Asylanträgen wird auch für Flüchtlinge in Bremen Folgen haben. Anders als Hamburg hält Bremen jedoch nichts vom Vorstoß Bayerns, Flüchtlinge aus den Balkan-Staaten in separaten Aufnahmeeinrichtungen unterzubringen. Auch der in Bremen praktizierte Abschiebestopp für Roma aus dem Kosovo soll weiterhin bestehen bleiben.

Der wurde im Herbst 2010 beschlossen: Damals hatte die Bürgerschaft den Senat aufgefordert, ethnische Minderheiten bei Rückführung in das Kosovo langfristig zurückzustellen und Ermessensspielräume zur Erteilung langfristiger Aufenthaltstitel zu nutzen. Das soll auch in Zukunft gelten: „Bremen schiebt weiterhin keine Minderheiten aus dem Kosovo ab. Diese Personengruppe wird in Bremen deshalb auch nicht Teil des Aktionsprogramms“, sagt dazu auf taz-Nachfrage Nicolai Roth, Sprecher der Innenbehörde.

Ein beschleunigtes Asylverfahren für Flüchtlinge auch aus dem Kosovo wird es allerdings künftig auch in Bremen geben. Zwar ist zwischen Bund und Ländern noch nicht abschließend geklärt, für welche Länder das Verfahren konkret gelten soll, allerdings sind laut Roth „Personengruppen aus Herkunftsländern mit einer relativ hohen Anzahl von Asylsuchenden bei zugleich besonders niedriger Schutzquote“ gemeint – und hierzu zählen Albanien, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und auch das Kosovo.

Kritik vom Flüchtlingsrat

Für Marc Millies vom Flüchtlingsrat Bremen ist der Begriff „Personengruppe“ hochproblematisch: „Nach Herkunftsland zu sortieren kann bedeuten, dass gewisse Integrationsbemühungen nicht mehr geleistet werden mit dem Argument: Das lohnt sich ohnehin nicht, weil die sowieso abgeschoben werden. Es kann auch bedeuten, dass die Menschen gar nicht mehr aus Erstaufnahmeeinrichtungen umverteilt werden.“

In Bremen sei das weder geplant noch gewollt, sagt David Lukaßen, Sprecher der Sozialbehörde: „Wir wollen keine Trennung von Flüchtlingen nach Herkunftsländern, das entspricht nicht unserer bisherigen Politik.“

Und Flüchtlinge, die mindestens drei Monate in einem Übergangswohnheim verbracht haben, „dürfen und sollen in eigene Wohnungen – diese Regelung gilt in Bremen für alle und das soll auch so bleiben“. Um diesen Gestaltungsspielraum der Länder einzugrenzen, bedürfe es einer Änderung des Rechts auf Bundesebene.

„Genauso gründlich wie bisher“

Auch in der Frage nach der Deklarierung weiterer „sicherer“ Herkunftsstaaten habe Bremen eine klare Haltung, sagt Lukaßen, und das bestätigt auch die Innenbehörde: Die Einstufung weiterer Balkan-Länder zu sicheren Herkunftsstaaten „kann nicht die Antwort auf die Zunahme von Flüchtlinge aus diesen Ländern sein“, heißt es dort.

Gegen die beschleunigten Verfahren der Asylanträge von „Personengruppen“ aus dem Westbalkan hat man im Innenressort allerdings keine Einwände: „Es sollen lediglich die Befassung mit dem einzelnen Fall der jeweiligen Behörde prioritär erfolgen; also nicht liegen gelassen werden“, sagt Roth. Das Verfahren werde beschleunigt – hierfür stockt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zurzeit massiv Stellen auf – bleibe aber „genauso gründlich wie bisher“.

Millies indes zweifelt daran: „Ein beschleunigtes Verfahren bedeutet, die Menschen haben weniger Zeit, sich auf das Asylverfahren vorzubereiten und sich über ihre Rechte und Pflichten zu informieren – das ist eine klare Benachteiligung.“

Keine Gleichbehandlung

Umgekehrt ginge eine Beschleunigung und ein „Vorzugsverfahren“ zu Lasten anderer Flüchtlinge, die dann entsprechend länger auf eine Bearbeitung und Entscheidung warten müssten. Eine Gleichbehandlung sei so nicht mehr gewährleistet – auch nicht beim BAMF. Die Gefahr sei groß, dass Asylanträge künftig nicht mehr sorgfältig genug geprüft würden: „Eine vorgezogene Antragsbearbeitung hat nichts mit neutraler Herangehensweise an jeden Einzelnen zu tun“, sagt Millies.

Auch die Bürgerschaftsfraktion der Linken übt scharfe Kritik am beschleunigten Verfahren: „Diese Pläne sind eine weitere Aushöhlung des Asylrechts“, sagt Sofia Leonidakis, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Das „Sondersystem“ untergrabe den universellen Gedanken des Asylrechts. Bremen müsse sich für legale Einreisewege und Aufenthalte einsetzen statt verschärfte Verfahren zu unterstützen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.