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Umfrage zur KohlekraftMehrheit will Ausstieg

Einer Erhebung zufolge, die Greenpeace in Auftrag gegeben hat, sind die Deutschen für einen Kohle-Ausstieg bis 2040. Die Folgen sind umstritten.

Bizarre Landschaften: Kühltürme des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde. Bild: dpa

BERLIN dpa/taz | 81 Prozent der Deutschen sind einer Umfrage zufolge für einen Kohleausstieg bis spätestens 2040. 35 Prozent davon wollen die Nutzung des Energieträgers sogar schon bis 2030 beenden. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen TNS-Emnid-Erhebung im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Besonders sorgt die Bürger dabei neben dem klimaschädlichen Ausstoß von Kohlendioxid, dass Braunkohlekraftwerke viele gesundheitsschädliche Quecksilberemissionen verursachen. Ebenfalls 81 Prozent sind diese Gesundheitsrisiken der Umfrage zufolge aber bisher nicht bekannt.

73 Prozent der Befragten sind als Lösung für eine Nachrüstung mit modernster Filtertechnik, auch wenn dies die Energiepreise erhöhen könnte. Greenpeace sieht das Quecksilber-Thema als Kampagnenfokus der nächsten Zeit – und die Studie als Beleg für die Notwendigkeit.

Derzeit gibt es heftigen Streit zwischen der Bundesregierung auf der einen und Gewerkschaften und Energiekonzernen auf der anderen Seite. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen bis zum Jahr 2020 das Ziel von 40 Prozent weniger klimaschädlichen CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 schaffen. Bis 2020 sollen daher die Kraftwerks-Emissionen neben geplanten Maßnahmen um zusätzliche 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid gemindert werden.

Scharfe Kritik an Bsirske

Dafür plant Gabriel eine Klimaabgabe beim Überschreiten eines CO2-Freibetrags für über 20 Jahre alte fossile Kraftwerke. Verdi-Chef Frank Bsirske, Vizeaufsichtsratschef beim stark von der Kohlekraft abhängigen Energiekonzern RWE, sieht dadurch – direkt und indirekt – bis zu 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr.

Diese Aussage stößt allerdings auf entschiedenen Widerspruch. „Das ist ein Horrorgemälde und völlig überzogen“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ute Vogt. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer erklärte, die Abschaltung alter Kohleblöcke gefährde keine Arbeitsplätze. „Sie sichert Arbeitsplätze in einer klimafreundlichen und zukunftsfähigen Energieversorgung.“

Während Verdi für die Zeit nach Ostern Kundgebungen für den Erhalt von Braunkohle-Kraftwerken angekündigt hat, mobilisieren mehrere Umweltverbände für den 25. April zu einer großen „Anti-Kohle-Kette“ im nordrhein-westfälischen Braunkohleort Garzweiler.

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7 Kommentare

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  • Wennmal jemand dieser "Mehrheit erklären würde das bis auf die Hg-Emissionen bei der ziemlich dicht unter der Erdoberfläche lagernden praktisch das ganze mobile Kohlenstofffinventar sowieso per Ausgasung permanent freigesetzt wird? Und das duch PAK und BTEX Eintrag ind anschließende Grundwasser erhebliche Volumina kontaminiert sind und bleiben?

     

    Die anthropogene Förderung beschleunigt nur die Umsetzungsrate, die Umsetzung der Braunkohlen stoppt aber nicht wenn die im Boden bleiben.

  • Die Verbrennung fossiler Energieträger ist kein Modell für die (Langfristige) Zukunft. Doch was soll statt dessen die Energieversorgung sicherstellen? Wir hatten 2013 eine installierte Leistung aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft von knapp 85 Gigawatt. Damit wurden je nach Wetter und Tageszeit 5 bis 50% des Strombedarfs von durchschnittlich 65GW produziert. Eine vollständige Abkehr von Atom und Kohle muss von einem Ausbau bei Erzeugung und Speicherung aus anderen Quellen abgesichert werden.

    Wasserkraft und Biomasse sind kaum noch ausbaubar. Solar und Wind könnten die benötigte Gesamtmenge durchaus erbringen, fallen aber stark fluktuierend an. Also sind gewaltige Speicher notwendig.

    Wo sollen diese Speicher herkommen? Und kommt bitte nicht mit den Batterien von Elektroautos, wir sind nicht am 1.April. Selbst mit der vollständigen Entleerung von 1 Million z.B. BMW E1 bekommen wir die Hamburger Industrie nicht durch eine Nacht ( und morgens kommen die Leute nicht los, da Batterie alle).

     

    Bringen wir die garantierte Kapazität der "erneuerbaren" auf 50% des Bedarfs, dann können wir an sonnigen, windreichen Tagen ganz Europa versorgen, etwas was aus den unterschiedlichsten Gründen nicht passieren wird. Also werden massenhaft Wind- und Solarparks abgeschaltet werden müssen wenn die Bedingungen am besten sind.

    Wer soll (will) das bezahlen?

    Und kommt mir nicht mit eurem Russengas, schon jetzt sind Gaskraftwerke kaum oder gar nicht wirtschaftlich zu betreiben. Wer soll unter solchen Umständen in weitere Kraftwerkskapazitäten investieren?

     

    Sicher gibt die Studie auch folgendes her : Fast 100% der Deutschen wollen im Jahr 2050 Strom aus der Steckdose.

  • Hahaha :) Den Deutschen wäre es zu wünschen, alle GRÜNEN/SPD Ideen umgesetzt zu bekommen.

    Atomausstieg, Gentechverbot, nun auch noch Kohleausstieg.

     

    Eine deindustrialisierte Vegan-Brache mitten in Europa, mit Hochsicherheitszaun ringsum und die Nachbarn schmeissen ab und zu ein paar Antibiotika rüber. ^^

  • @KLAUSK: Uneingeschränkte Zustimmung. Dummerweise merkt der angebliche "Souverän" nicht, wie unsäglich inkompetent er regiert wird, und straft deshalb nicht die Urheberin, sondern nur den Mitläufer ab.

     

    @Bsirske: Ich bin überzeugter Gewerkschaftsfreund - aber nur, solange noch Hirn im Spiel ist. Das "Arbeitsplatzargument" im Zusammenhang mit Kohle - vor allem Braunkohle - erinnert fatal an den gewerkschaftlich durchgesetzten Arbeitsplatzerhalt für Heizer auf britischen E-Loks. Mit dem Arbeitsplatzargument lässt sich auch uferlose Waffenproduktion, Freigabe der Elefantenjagd zwecks Elfenbeingewinnung oder unbeschränkte Drogenfreigabe "rechtfertigen".

     

    Über Kohleverstromung bis 2040 zu diskutieren bin ich nicht bereit. Eine von menschlicher Intelligenz durchdrungene Gesellschaft sollte einen sozialverträglichen Ausstieg DEUTLICH vor 2030 schaffen.

    • @Bitbändiger:

      Dann, lieber Informatiker,

       

      müssen Sie nur noch sicherstellen mit einer validen Methode die Daueroxidation der Lagerstätten in situ zu beenden....

  • warum machen sich denn die ollen gewerkschaften nicht mal fuer die gefaehrdeten oder schon verlorenen arbeitsplaetze in der solarbranche oder der nachhaltigen landwirtschaft stark?

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen ..."

    es möglichst allen recht machen, wobei nicht die 81% Kohleausstiegswilligen, sondern irgendwelche Interessengruppen eine Rolle spielen.

    Frau Merkel kommt dabei ungeschoren davon, der ("kluge") Herr Gabriel verabschiedet sich mit seiner SPD derweil von seiner Wählerschaft.