Umfrage zu Volksbegehren: Mehrheit für Enteignung

Nach Meinungsumfrage: Der Senat will über Deutsche Wohnen und Volksbegehren reden. Raed Saleh begrüßt Debatte über Rechte und Pflichten von Vermietern.

In der Karl-Marx-Alle löste eine Übernahme durch die Deutsche Wohnen Angst und Schrecken aus Foto: dpa

Der rot-rot-grüne Senat will sich in nächster Zeit mit dem Thema „Deutsche Wohnen“ und dem Volksbegehren zur Enteignung privater Wohnungsunternehmen befassen. Das hat am Dienstag Senatssprecherin Claudia Sünder angekündigt. Beim Gebaren des Unternehmens gebe es „sicher den einen oder anderen kritischen Punkt“, sagte sie vor Journalisten. Der Tagesspiegel hatte zuvor Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage veröffentlicht, wonach eine Mehrheit der Berliner ein Volksbegehren zur Enteignung von großen privaten Immobilienunternehmen unterstützt.

Den veröffentlichten Zahlen zufolge halten 54,8 Prozent der Befragten es für richtig, „dass es Bestrebungen gibt, Großvermieter (über 3.000 Wohnungen) in Berlin gegen Entschädigung zu enteignen“. Nur 34,3 Prozent lehnten das ab, 19,9 Prozent waren unentschieden. Am größten ist die Unterstützung bei Anhängern der Linkspartei mit rund 84 Prozent, gefolgt von SPD (72) und Grünen (69), am geringsten bei CDU-Wählern (33). Zugleich gilt: Je reicher die Befragten, je größer die Ablehnung.

Im November hatte die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ den ersten Schritt zu einem Volksentscheid unternommen und der Innenverwaltung des Senats ihren Gesetzesvorschlag für eine Kostenschätzung vorgelegt. Die Linkspartei hat sich bei ihrem Parteitag im Dezember hinter das Projekt gestellt. Eine Enteignung könnte überschlägig einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten.

Wie viele weitere Unternehmen das „… & Co.“ des Volksbegehrens betrifft, blieb auch am Dienstag offen. Weder die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch der führende Branchenverband BBU konnten am Dienstag gegenüber der taz eine konkrete Zahl nennen, wer in Berlin mehr als 3.000 Wohnungen besitzt. Aus Kreisen von Mietexperten war zu hören, es kämen kaum mehr als zehn Unternehmen infrage.

SPD-Fraktionschef Raed Saleh mochte die Umfrage und das Volksbegehren zwar nicht konkret bewerten. „Ich habe aber Verständnis dafür, dass die Leute so votieren“, sagte er der taz. „Die grundsätzliche Diskussion, welche Rechte, aber auch welche Pflichten Eigentümer haben, ist gut und überfällig.“ Saleh hatte sich im August für eine „wohnungspolitische Revolution“ ausgesprochen und gefordert, Mieten bei abgezahlten Häusern einzufrieren.

Die Mietexpertin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Katrin Schmidberger, sieht in dem Volksbegehren Notwehr. Dass sich in der Umfrage die Mehrheit für die Enteignung von Wohnungsunternehmen ausspricht, „sollte die Deutsche Wohnen zum Anlass nehmen, ihre perfide Geschäftspolitik umzustellen“, sagte die Grüne.

Das Unternehmen ist in den vergangenen Monaten zunehmend zum Inbegriff des „bösen Vermieters“ geworden, der seine Wohnungen nicht als Teil der Daseinsvorsorge, sondern allein als Objekte zur Gewinnmaximierung betrachtet. Ende 2018 löste in der Karl-Marx-Allee die bloße Ankündigung, die Deutsche Wohnen würde dort über 700 Wohnungen kaufen, große Angst vor Mieterhöhungen aus. Bei gut informierten Abgeordnetenhausmitgliedern gibt es die Einschätzung zu hören, andere Unternehmen seien noch schlimmer, aber die Deutsche Wohnen habe, vorsichtig formuliert, zeitweise sehr ungeschickt kommuniziert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.