: „Um die Ecke in die Kiste“
Foto-Automaten in Hamburger Bezirksämtern erzürnen CDU und Innung: Arbeitsplätze und Steuern seien gefährdet ■ Von Judith Weber
Umsatzeinbußen sind blitzschnell erzielt. „Um die Ecke in die Kiste, den Sitz hochdrehen und das war's dann“, erklärt der Hamburger Fotograf Harald Ziesche. Drei Minuten automatisch trockenpusten, und dann ab zur Sachbearbeiterin in den dritten Stock, den neuen Reisepaß beantragen. Täglich, niemand weiß, wie oft, bringen die Fotoautomaten in Hamburgs Behörden die städtischen Fotografen so um ihren Verdienst, klagen CDU und Fotografen-Innung. 24 Hamburger Unternehmen haben bereits schriftlich protestiert.
„Seit Jahren kämpfen wir gegen die Paßbildautomaten“, wettert Thomas Grabenkamp, stellvertretender Geschäftsführer des Verbandes. „Sie vernichten Umsatz und Arbeitsplätze bei den Porträtfotografen.“ Nicht nur, daß sich immer mehr HamburgerInnen für Paßbilder aus einer der 14 Knipskisten in öffentlichen Gebäuden entscheiden. Irgendwann wissen die KundInnen nicht mehr, was gut ist, fürchtet Grabenkamp. „Sie haben keine Chance mehr, den Unterschied beigebracht zu bekommen.“
Bei der rot-grünen Hamburger Landesregierung, einer straffen Befürworterin der Vorrichtungen, finden derartige Bedenken wenig Gehör. „Die Bürger, die qualitativ hochwertige Paßbilder wünschen, werden meines Erachtens weiterhin den fachlich versierten Fotohandel frequentieren“, schrieb Bezirkssenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) den aufgeregten Fotografen. Zur Prüfung dieser These ließ sie in allen sieben Bezirks- sowie einigen Ortsämtern „Mitarbeiter, die täglich Umgang mit zahlreichen Kunden haben“, zu dem Problem Stellung nehmen. Ergebnis: „Die Einschätzung deckt sich mit den Erfahrungen vor Ort.“
Dennoch ist die Tendenz zum Selbstauslöser unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten bedenklich, findet die CDU. „Wie hoch sind die Steuerausfälle“, die dadurch verursacht werden, daß Unternehmen von außerhalb die Automaten betreiben, fragte deren Bürgerschaftsabgeordneter Michael Fuchs aufgebracht. Und: „Hat der Senat einen Notstand an öffentlich zugänglichen Paßbildautomaten ausgemacht, so daß er zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung eine Grundversorgung gewährleisten muß?“
Das ist nicht der Fall, heißt es im Amt für Bezirksangelegenheiten. Erstens verdient die Stadt nicht schlecht an den Automaten. Rund 25 Prozent des Gewinns müssen deren BetreiberInnen abgeben. Zweitens „ist das Service. Wenn jemand in der Behörde etwas erledigen will und keine Bilder dabeihat, geht sonst möglicherweise der ganze Tag drauf.“
Ähnlich sehen das auch einige Fotografen. „Sicher gehen damit Kunden verloren“, vermutet Harald Ziesche, „aber nicht die, die das Geschäft am Laufen halten.“ Außerdem sei auf die Automaten kein Verlaß, frohlockt eine Kollegin, die den Namen ihres Geschäftes nicht in der Zeitung lesen will: „Mich tangiert die ganze Diskussion nicht. Es ist ja so, daß die Dinger häufig nicht funktionieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen