Ulrike Herrmann über die RatingAgentur Moody’s und Theresa May: Der Exit vom Brexit
Eine erstaunliche Entscheidung: Die Ratingagentur Moody’s hat die Kreditwürdigkeit von Großbritannien herabgestuft, und zwar nach der Brexit-Rede von Premierministerin Theresa May am Freitag in Florenz. Zumindest Moody’s glaubt nämlich, dass sich die Aussichten für die britischen Staatsfinanzen „erheblich verschlechtert“ hätten. Der EU- Austritt würde die britische Wirtschaft weiter schwächen.
Offenbar hat Moody’s nicht genau hingehört, was May in Florenz verkündet hat: Ein echter EU-Austritt ist abgesagt. Die Premierministerin hat, zwischen den Zeilen, den Exit aus dem Brexit begonnen.
Mays Rückwärtsgang kommt scheinbar harmlos daher: Der Brexit soll zwar im März 2019 stattfinden, aber anschließend soll eine „Übergangszeit“ gelten, in der alles läuft wie bisher. Großbritannien zahlt weiterhin jährlich 10 Milliarden Euro netto an die EU-Kassen, EU-Ausländer dürfen immer noch nach Großbritannien einwandern – und auch die EuGH-Urteile gelten für die Briten unverändert. Nach dem Brexit wäre also vor dem Brexit.
Dies mag zwar widersinnig klingen, hat aber seine eigene Logik: Ein echter Brexit wäre nicht im britischen Interesse, wie vielen Briten zunehmend deutlich wird. Verspätet bemerken sie, dass der Brexit auf einer Lüge beruht: Großbritannien war nie das Opfer der EU – sondern gehörte zu den größten Profiteuren. Den Finanzplatz London hätte es nie gegeben, wenn Großbritannien nicht zur EU gehört hätte.
10 Milliarden Euro pro Jahr für Brüssel – das war nie teuer, sondern spottbillig. Auch die EU-Einwanderer stören nicht, sondern haben ja alle Arbeitsplätze in Großbritannien und würden fehlen.
Also betreibt May jetzt den Exit aus dem Brexit – aber unauffällig, damit es die Brexit-Fans nicht bemerken. Dies ist gelungen, wie Moody’s zeigt. Wenn selbst Ratingagenturen Mays Taktik nicht begreifen, dürfte dies für viele Brexiteers erst recht gelten.
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