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Ukrainisch-deutsches MusikprojektKrieg, Exil und Trauma

Das Leipziger Duo Moloch & Nadiya arbeitet an einer Fusion aus Soul, Jazz und ukrainischem Folk. Porträt eines interkulturellen Crossover-Projekts.

Mehr als die Summe der Einzelteile: Alex Korus und Melanka Piroschik Foto: Anna Perepechai

Wir befinden uns in einem unscheinbaren Backsteinbau im Leipziger Westen. In diesem Überbleibsel aus dem Industriezeitalter wird zwar nicht mehr für den Markt produziert, kreiert wird hier aber weiterhin. Und zwar die Musik für das Duo Moloch & Nadiya. Sein Sound ist schwer zu fassen, changiert zwischen Jazz, Soul und ukrainischer Vokaltradition.

Moloch&Nadyia

Moloch & Nadiya: „Ether: Ukrainian Diaspora Soul“ (Eigenverlag)

https://molochnadiya.bandcamp.com/album/ether-ukrainian-diaspora-soul

Bands und Künstlerinnen wie Hiatus Kaiyote, Aldous Harding und Dakhabrakha sind als Einflüsse hörbar. Moloch & Nadiya fabrizieren allerdings mehr als die Summe dieser Bestandteile, ihre Klangsignatur ist ein eigener Kosmos, zwischen West und Ost, Gegenwart und Vergangenheit, Zuversicht und tiefer Verzweiflung pendelnd.

Das Debütalbum des Duos „Ether“ ist Teil eines Entwicklungsprozesses, der im ukrainischen Elternhaus von Sängerin und Violinistin Melanka Piroschik begonnen hat. Zu Hause wurde das kulturelle Erbe der Ukraine leidenschaftlich gepflegt.

Die Bedeutung der Diaspora

Introvertiert, bedacht und intim klingen die acht Lieder von „Ether“ und in einem Stil, den Melanka und ihr Begleiter Alex Korus als „Ukrainian Diaspora Soul“ bezeichnen. „Diaspora“ meint in diesem Kontext mehr als eine geografische und gesellschaftliche Einordnung.

Das Sich-selbst-Finden zwischen den Kulturen zieht sich wie ein roter Faden durch die Musik: „Ich bin in Deutschland geboren, aber mit der ukrainischen Sprache und Kultur aufgewachsen. Ich lebe zwischen zwei Ländern und empfinde das als Bereicherung“, bewertet Melanka ihr Leben als Teil der ukrainischen Gemeinde in Deutschland.

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hat der Begriff „Diaspora“ eine beängstigende Dimension. Die russische Invasion ins Nachbarland hat Hunderttausende Ukrai­ne­r:in­nen zur Flucht gezwungen, darunter auch bildende Künst­le­r:in­nen und Musiker:innen.

Die Ukraine hörbar machen

Drei von ihnen, Mariia Kryvets, Kateryna Safonova und Ira Lazer (alias Mavka) sind an „Ether“ beteiligt: „Wir singen und sprechen nicht nur über die Ukraine, wir machen die Ukraine in der Musik hörbar“, beschreibt Melanka die Idee, Exil­u­krai­ne­r:in­nen in die Produktion aufzunehmen.

So wurde die ukrainische Künstlerin Anna Perepechai engagiert, die den gesamten Entstehungsprozess von „Ether“ mit der Kamera begleitet hat und sowohl Cover als auch visuelle Darstellung der Band entwickelte.

Hinter Moloch & Nadiya steckt also mehr als nur ein Duo, das Musik macht, ihm liegt ein visuelles, akustisches und zwischenmenschliches Gesamtkonzept zugrunde; die Idee für das Album war, sich einen eigenen emotionalen und geistigen Zugang zur Musik zu erschließen. Dieser erfasst neben drängenden Themen wie Krieg, Exil und Trauma auch den individuellen Reifeprozess, losgelöst von der Politik und dem tagesaktuellen Geschehen in Osteuropa.

Bloße Existenz

Moloch & Nadiya nehmen Impulse der ukrainischen Folklore auf, bringen damit eine Momentaufnahme in der Musik zum Klingen, eine persönliche Geschichte und auch die Geschichte einer Gesellschaft im Kampf um ihre bloße Existenz und ihr Vermächtnis, mit all ihren Implikationen.

Besonders die individuelle Erfahrungswelt, die die Band präsentiert, ist ein Gegenentwurf zu den Frontberichten, internationalen Konferenzen und politischen Reden, denen im Kontext des Krieges mehr Beachtung geschenkt wird. „Ether“ ist eine andere Art von Bericht, eine Kartografie von Innenleben, gekleidet in einen Sound mit hohem Wiedererkennungswert.

Auch die Polarität des Duos kommt darin zum Vorschein: Während die Deutschukrainerin Melanka den ukrainischen Gesang und die Violine mitbringt, ist der Erfurter Alex Korus ein versierter Multiinstrumentalist, der den Sound der Band um Soul- und Blueseinflüsse erweitert.

Seine Position in der Band ist klar definiert: „Meine Rolle als Nicht-Ukrainer in diesem Projekt sehe ich als Verbündeter einer wunderschönen, faszinierenden, aber bedrohten Kultur. Putin behauptet, es gäbe keine autonome ukrainische Kultur, er liegt falsch. Ich trage als Außenstehender dazu bei, diese Kultur zu bewahren, als Gast, aber auch als Mitgestalter“, widerspricht Alex der russischen Propaganda. „Die ukrainische Kultur ist lebendig und findet im Hier und Jetzt statt, nicht in Geschichts­büchern“, sagt er.

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