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Ukraine-Debatte im AbgeordnetenhausDem Armageddon ein Ende setzen

Im Parlament beklatschen alle Fraktionen den ukrainischen Botschafter, der mehr Unterstützung fordert. Die sagt ihm Regierungschefin Giffey zu.

Der Ukrainer Andrij Melnyk sprach als erster Botschafter überhaupt im Abgeordnetenhaus Foto: Imago/Emmanuelle Contini

Wenn man es gut meinte mit Kai Wegner an diesem Donnerstagvormittag, könnte man sagen: Man hat es als CDU-Fraktionschef in der Opposition auch nicht leicht bei einer Debatte zur Ukrainekrise, wenn selbst kritische Hilfsinitiativen den Senat loben. Aber so wie sein Parteifreund Friedrich Merz im Bundestag, der ein Nato-Eingreifen nicht ausschloss, isoliert sich im Abgeordnetenhaus auch Wegner. Der fordert von Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) Dinge, die bereits auf dem Weg oder angekündigt sind.

Der Ukrainekrieg und der Umgang mit Flüchtlingen bilden das zentrale Thema der Plenarsitzung, zu deren Beginn der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk spricht. Es ist eine Premiere: Nie zuvor soll dort ein Botschafter geredet haben. Von Melnyk ist harte Kritik an der deutschen Außenpolitik zu hören: Die habe Putins „aggressive Politik salonfähig gemacht“. Inständig fordert Melnyk mehr Unterstützung – „wir kämpfen auch für Ihre Freiheit“. In Anlehnung an die Luftbrücke von 1948/49 ruft er nach einem solchen Versorgungskorridor, „nur diesmal auf dem Landweg“. Während seiner Rede hält er Bilder von getöteten Kindern hoch – „Bitte helfen Sie uns, diesem Armageddon [endzeitlicher Schlachtort in der Bibel, d. taz] ein Ende zu setzen.“

Dafür beklatschen ihn alle Fraktionen einschließlich der AfD. Deren Reihen aber sind schwach besetzt, nur 8 der 13 Fraktionsmitglieder sind da. Nicht dabei: Gunnar Lindemann, der sich gegen die Ukraine gewandt hatte.

Während aber FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja erkennt, dass das kein Vormittag zur Parteiprofilierung ist, und zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung aufruft, verkämpft sich CDU-Mann Wegner. Der Sozialsenatorin wirft er vor, die Tragweite der Krise unterschätzt zu haben, den Senat insgesamt kritisiert er, weil der nicht am Feiertag, sondern erst Mittwochabend tagte. Auch gegen Menschenhändler, die die Lage der Flüchtlinge ausnutzen, passiere zu wenig.

Giffey kontert CDU-Kritik

All das kann Franziska Giffey wenig leicht kontern. Tragweite nicht erkannt? Die jetzige Situation habe sich vor zwei Wochen niemand vorstellen können. Keine Koordination? Eine Stabsstelle sei längst eingerichtet. Menschenhändler? Am Vorabend hat sie gemeinsame Leitstellen von Polizei und Feuerwehr an Haupt- und Busbahnhof angekündigt.

1.000 Betten in Unterkünften muss der Senat derzeit laut Giffey täglich organisieren, über 8.000 sollen es insgesamt schon sein. Sie lobt das große ehrenamtliche Engagement – „ohne das wäre es nicht gegangen.“ Nachdem Giffey am Mittwoch ein Ankunftszentrum am Exflughafen Tegel angekündigt hat, legt sie nun nach: Das Messegelände soll zur Unterkunft werden, auch den Exflughafen Tempelhof beziehe man in die Überlegungen ein. Turnhallen wie 2015 will sie nicht belegen.

Generell sagt Giffey dem ukrainischen Botschafter Unterstützung zu, spricht von zwei Sattelzügen mit Hilfsgütern, die man mit Vivantes schon auf den Weg gebracht habe. Merklich berührt, mit fast brechender Stimme, schließt Giffey Richtung Melnyk mit einem segensartigen Gruß. Den will sie selbst erst jüngst von einer Ukrainerin gelernt haben: „Ich wünsche Ihnen einen friedlichen Himmel.“

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2 Kommentare

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  • Berlin ist ein Bundesland und kein Staat, das Land Berlin betreibt keine Außenpolitik. Ein Botschafter ist ein Diplomat und kein Parlamentarier. Insofern war der Auftritt eines Botschafters in einem Landesparlament eine nicht zulässige Abweichung von demokratischen Grundsätzen. Rederecht in einer aktuellen Stunde, egal zu welchem Thema, haben Parlamentarier und im Anschluss ein Regierungsmitglied. Nicht Externe.



    Gerade in Krisen- und Kriegszeiten muss man strikt, äußerst sorgfältig, darauf achten dass die Regeln unserer Demokratie stets eingehalten werden. Wer mit Rechtsbruch beginnt, droht irgendwann selbst im Krieg zu enden.



    Was Berlin jetzt tun kann: vom Krieg Betroffenen zu helfen, die Krieg führenden Parteien zu sofortigem Waffenstillstand und Verhandlungen ermutigen. Was Berlin niemals tun darf: im Krieg Partei ergreifen, sich in den Krieg einmischen, selbst zur Kriegspartei zu werden.

  • Erinnerte Kai Wegner, wie 2015, den Senat daran, den Kriegsflüchtlingen nur Sachleistungen und Gutscheine auszuhändigen und nicht Bargeld?



    Hat er hat eine Geschlechterquote bei Flüchtlingen gefordert, wie 2017?



    Hat er wenigtens die am Hauptbahnhof freiwillig Helfenden als "Schlepperhelfer" tituliert, wie er die "sogenannten Seenotretter" 2019 genannt hat?



    Oder sind Putin-Opfer aus Charkiw einfach etwas anderes als Putin-Opfer aus Aleppo?