Ukip-Partei in Grossbritannien: Erdrutsch nach rechts
Kurz nachdem die regierenden Konservativen sie als „Clowns“ beschimpften, holt die rechtspopulistische Ukip bei Distriktwahlen 23 Prozent.
BERLIN taz | Großbritanniens parteipolitische Landschaft ist durcheinandergewirbelt. Bei Distriktwahlen in allen 27 ländlichen Grafschaften (counties) von England, einer in Wales und sieben englischen Stadtregionen am Donnerstag erhielt die rechtspopulistische Ukip (United Kingdom Independence Party) fast ebenso viele Stimmen wie die regierenden Konservativen.
Nach BBC-Hochrechnungen kam die Ukip, die den Austritt Großbritanniens aus der EU und Zuwanderungsbeschränkungen fordert, auf 23 Prozent (+ 17 Prozentpunkte), die Tories kamen auf 25 Prozent (– 9). Die Spaltung der Rechten ermöglichte es der Labour-Opposition, auf Platz 1 zu rutschen, aber nur mit 29 Prozent (+ 8). Am stärksten verloren die mitregierenden Liberaldemokraten mit 14 Prozent (– 11).
Konservative regieren nach wie vor die überwiegende Mehrheit der englischen Grafschaften. Doch Ukip-Führer Nigel Farage sonnte sich am Freitag mit seinem breiten Grinsen auf allen Fernsehkanälen als Wahlsieger, der das „Establishment“ bloßgestellt habe. Politiker aller drei etablierten Parteien überschlugen sich mit Huldigungen an ihn und betonten, wie recht er zumindest teilweise habe, zum Beispiel mit seiner Kritik an der Offenheit des britischen Arbeitsmarkts für Einwanderer – ab 2014 auch aus Rumänien.
Wo viele osteuropäische Migranten leben, schnitt die Ukip besonders gut ab. In Lincolnshire an der Nordsee kam die Partei aus dem Stand auf den zweiten Platz mit 16 von 77 Sitzen. Zweitstärkste Kraft ist sie auch in Buckinghamshire und Norfolk.
Beweis ihrer landesweiten Ausstrahlung
Zweitstärkste Kraft wurde die Ukip auch bei einer Nachwahl zum Unterhaus in der nordostenglischen Labour-Hochburg South Shields. Dies hatte sie schon im März im südenglischen Eastleigh geschafft. Die Partei sieht dies als Beweis ihrer landesweiten Ausstrahlung, entgegen dem Klischee von ihr als Sammelbecken unzufriedener konservativer Rentner.
Dass der konservative Altpolitiker Kenneth Clarke die Ukip zu Wochenbeginn als „Haufen von Clowns“ bezeichnet hatte, brachte der Partei nach eigener Einschätzung mindestens 3 Prozent zusätzlich. „Holt die Clowns!“ sagte Parteichef Farage am Freitag triumphierend.
Die Ukip könnte sich nun in Großbritannien als eine rechte Variante der „Fünfsternebewegung“ in Italien etablieren. Ähnlich wie der italienische Beppo Grillo sagt auch Farage bei jeder Gelegenheit, die etablierten Parteien seien alle identisch und nur er nehme das Volk ernst.
Premierminister David Cameron erkannte dies gestern an: „Es ist sinnlos, eine Partei zu beschimpfen, die Stimmen erhält. Die Leute wollen, dass wir mehr für die hart arbeitenden Menschen tun.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis