Uefa-Menschen in Manchester: Grinsende Zombies in Hosenanzügen

Das Leben in einer kalten englischen Metropole und die Uefa als ein Unternehmen, das den Medien gefallen will.

Vorfreude auf das Auftaktmatch in der Fußballstadt: Rolling Fans in Manchester.

Vorfreude auf das Auftaktmatch in der Fußballstadt: Rolling Fans in Manchester Foto: Reuters/Lee Smith

Manchester könnte diese Europameisterschaft nicht egaler sein, stelle ich fest. Das liegt sicher auch daran, dass Manchester cool ist. Ein bisschen fasziniert schlendere ich durch diese auch im Hochsommer ziemlich kalte Stadt mit den roten Backsteinbauten, in der von überall her Musik ertönt, jede zweite Person so mühelos runtergerockt-alternativ aussieht und auch noch kurze Hosen trägt bei 15 Grad, diese verrückten Engländer:innen.

Ein kultureller Schmelztiegel ist es, dieses Manchester, und in seinem Understatement nur schwer mit den milliardenschweren Fußballkonzernen Manchester United und Manchester City in Verbindung zu bringen. Ernsthaft, irgendwo zwischen diesen alten Pubs hat Ronaldo gewohnt? Lässigkeit kann aber nicht der einzige Grund sein, warum die Euro im Stadtbild unsichtbar bleibt.

Würde man als Organisator nicht Fahnen aufhängen, wenn so ein Ereignis in der Stadt stattfindet? Oder zumindest Plakate? Oder diese verdammten Fanfeste mit Torwand und Maskottchen? Bei der Männer-EM im vergangenen Jahr konnte man sich davor nicht retten.

Hohelied auf das Wachstum

Als ich zum Eröffnungsspiel fahre, geht das Leben in der Innenstadt so achselzuckend seinen gewohnten Gang, dass ich fast vermute, ich hätte mich im Tag geirrt. Da war vor drei Jahren in Frankreich mehr los. Bizarr ist die Unsichtbarkeit angesichts des Kick-off-Events, das einen Tag vorher in Old Trafford stattfindet. Da rühmen sich die Damen und Herren, dass sie ein „ikonisches Event“ veranstalten werden. Heißt: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Weil aber Wachstum allein nicht mehr reicht, um Hirne und Herzen zu erobern, ist die Uefa auch gut darin geworden, alles an gesellschaftlichen Themen aufzusaugen, was ihr über den Weg läuft.

LGBT-Rechte, Rassismus, und eine Kampagne gegen Onlinehass stellt sie zum Beispiel vor. „Wir sind Agen­t:in­nen des Wandels“, heißt es allen Ernstes. Und zum Ende der Veranstaltung ahne ich, dass sie das wirklich glauben. Diese Uefa-Crowd glaubt echt daran, dass sie hier gerade die Welt rettet. Und da bin ich ein bisschen neidisch. Nicht ganz so sehr wie auf die coolen Leute in Manchester, aber doch auf den selbstgewissen Optimismus dieser grinsenden Zombies in Hosenanzügen.

Auf welcher Droge sind die? Nur einmal wird Nadine Keßler kurz kiebig, als jemand das Preisgeld kritisiert. „Die Uefa wird einen großen finanziellen Verlust durch dieses Turnier machen“, sagt sie. „Wir sind mehr als willens, das zu tun. Wir sind sicher, dass es große Sprünge gibt, aber Geld ist nicht unendlich und Preisgeld ist nicht das Einzige, wo wir investieren.“

Gut, man könnte natürlich darüber nachdenken, dass die Männer auf Gelder verzichten, wie es einzelne Nationalteams bei Equal-Pay-Agreements gemacht haben. Aber wo kämen wir denn da hin? Schließlich muss auch das Spiel der Männer wachsen, wachsen, wachsen. LGBT-Rechte und weniger Onlinemobbing sind eben doch keine Indikatoren für Erfolg.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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