Überwachungssoftware aus Deutschland: Exportschlager Protesttrojaner
Bürgerkrieg in Syrien, Widerstand in Bahrain: Zur Verfolgung von Oppositionellen wird weltweit deutsche Software eingesetzt. Kontrolle? Fehlanzeige.
BERLIN taz | Als Alaa Shebabi die entscheidende E-Mail erhielt, war die Oppositionelle aus Bahrain nur einen Klick davon entfernt, ihre Existenz aufs Spiel zu setzen. Im Anhang der Mail fand sie Fotodateien, angeblich von einem prominenten Folteropfer aus dem Widerstand im Arabischen Frühling. Die Mail lieferte Shebabi jedoch noch etwas anderes mit: einen bösartigen Trojaner.
Ein Klick auf die Fotos und Alaa Shebabi hätte dem autoritären Regime, gegen das sie kämpft, intimste Informationen über ihr Leben in der Opposition geliefert. FinFisher heißt der Trojaner, der später bei ihr gefunden wurde – produziert von der //www.gammagroup.com/:Firma Gamma International. Firmensitz: Obersendling bei München.
Alaa Shebabi ist nur ein Fall, den eine neue Kampagne zweier Grünen-Politiker im Netz dokumentiert. Shebabis Erfahrung soll für ein Problem stehen, von dem deutsche Unternehmen angeblich zunehmend profitieren: Softwareprodukte made in Germany, geeignet zur Überwachung und Zensur von Oppositionellen, sind unter autoritären Staaten weltweit gefragt – die Exportkontrolle solcher Software dagegen ist lax.
Das zumindest bemängelt die Menschenrechtspolitikerin Barbara Lochbihler, frühere Amnesty-Funktionärin und heutige Grünen-Politikerin im europäischen Parlament. „Deutsche IT-Unternehmen tragen weltweit zur Unterdrückung von friedvollem Protest und Menschenrechten bei. Sie profitieren davon, sich wissentlich gegen demokratische Entwicklungen zu stellen“, sagt Lochbihler.
Übersicht deutscher Firmen
Auf dem Kampagnenportal www.frieden2punkt0.de hat sie gemeinsam mit dem netzpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, eine Übersicht deutscher Firmen erstellt, die von dem Geschäft mit der Überwachung profitieren sollen. Darunter finden sich Großunternehmen wie die Siemens AG und die Nokia Siemens Networks, aber auch kleinere Firmen wie die trovicor GmbH, die utimaco Safeware AG, die Syborg-Informationssysteme mit Sitz in Bexbach oder die Lepiziger ipoque GmbH.
Was tatsächlich aus deutschen Programmierstuben bei Machthabern in Syrien, Libyen, in Bahrain und anderswo landet, ist für die Öffentlichkeit kaum zu überprüfen – auch weil der Markt abgeschottet agiert. Gamma International etwa – der Produzent des Trojaners, den Alaa Shebabi in ihrem Posteingang fand, war am Montag für die taz nicht zu erreichen. Auch andere Unternehmen aus dem Segment wollen sich auf Anfragen nicht äußern.
Wie die Kontrolle sogenannter Dual-Use-Güter verbessert werden kann, ist im Detail kompliziert. Dual-Use-Güter sind Produkte, die sowohl zu friedlichen als auch zu militärischen Zwecken eingesetzt werden können. Ab wann genau eine Software als Überwachungs- oder Spähsoftware zu definieren ist, ist im Einzelfall nicht immer leicht zu sagen.
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte am Montag der taz: „Die Bundesregierung wirkt auf multilateraler Ebene konstruktiv und in Abstimmung mit ihren internationalen Partnern an den Verhandlungen über eine Erweiterung der Kontrolle von Überwachungstechnik mit.“ Etwaige Listungen von Gütern, so der Sprecher, müssten technisch präzise sein, „denn viele Technologien haben mehrere Funktionalitäten und sind auch für den ordnungsgemäßen Betrieb des Internets sowie des Telekommunikationsnetzes erforderlich.“
„Ein hartes Vorgehen“
Konstantin von Notz fordert von der Bundesregierung dagegen „ein hartes Vorgehen bei Produkten, bei denen es sich eindeutig um digitale Waffen handelt“ – etwa durch ein Verbot von Hermes-Bürgschaften sowie Einzelembargos gegenüber autoritären Regimen.
Erst am Wochenende war auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Andrej Hunko hin bekannt geworden, dass Beamte des Bundeskriminalamts noch im Oktober 2010 Schulungen „zugunsten des ägyptischen Staatssicherheitsdienstes“ durchgeführt haben. Ihr Thema: Internetauswertung. Damals war in Ägypten der inzwischen verurteilte Staatschef Husni Mubarak an der Macht. Auch in Tunesien und anderen arabischen Staaten hatten deutsche Beamte noch kurz vor dem Ausbruch des Arabischen Frühlings Geheimpolizisten Nachhilfe in Sachen Überwachungstechnik gegeben.
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