Überwachung nach Dresden-Demo: Razzia bei Anti-Nazi-Pfarrer
Die sächsische Polizei hat die Wohnung eines Geistlichen durchsucht. Er hatte sich an den Dresdner Demos gegen Rechts beteiligt - und die Ermittlungen kritisiert.
DRESDEN taz | Am Mittwochmorgen haben die Dresdner Polizei und eine sächsische Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit die Dienstwohnung des Jugendpfarrers Lothar König in Jena gestürmt. Laut Staatsanwaltschaft Dresden steht die Durchsuchung im Zusammenhang mit Ausschreitungen am 19. Februar 2011 in Dresden.
Bei Protesten gegen den damaligen Nazi-Aufmarsch kam es zur massenhaften Auswertung von Handydaten. Auch wurden unter anderem das Parteibüro der Linken und ein Anwaltsbüro durchsucht, später auch diverse Razzien bei Anti-Nazi-Aktivisten durchgeführt. Die sächsischen Behörden rechtfertigen dies mit Ermittlungen gegen eine kriminelle Vereinigung. Laut Behördendokumenten, die der taz vorliegen, wird 22 Personen vorgeworfen, gewalttätige Angriffe auf Nazis verübt zu haben.
Der 57-jährige Jugendpfarrer ist einer der Beschuldigten. Die Dresdner Staatsanwaltschaft legt ihm aufwieglerischen Landfriedensbruch zu Last. Laut eigener Aussage hat sich König jedoch nur an friedlichen Protesten beteiligt. Als die Situation zwischen Polizei und Demonstranten an diesem Tag zu eskalieren drohte, habe er eine spontane Kundgebung angemeldet.
Als die Polizei den Pfarrer am Mittwoch telefonisch von der Durchsuchung seiner Wohnung in Kenntnis setzte, war er in Südtirol. Gegenüber der taz wirkte er am Mittwoch fassungslos. Die sächsischen Behörden reagierten wohl "überzogen" auf einen Beitrag im Spiegel, vermutete er. Dort hatte er sich zu Ermittlungen geäußert.
Dienstwagen beschlagnahmt
Laut seiner Tochter Katharina König wurden bei der Razzia der Dienstwagen und hauptsächlich Gegenstände aus einem Kinderzimmer beschlagnahmt.
Der stellvertretende Landesbischof Hans Mikosch bezeichnete das Vorgehen als "unangemessen". Bei der Durchsuchung von Diensträumen bestehe zudem die Gefahr der Verletzung des Beichtgeheimnisses.
Auch der Oberbürgermeister von Jena, Albrecht Schröter (SPD) ist mehr als verärgert darüber, dass die sächsische Polizei sowohl das Thüringer Innenministerium als auch die Polizei Thüringens erst informierte, als die Durchsuchung schon im Gang war. Er will den den Vorfall - immerhin wurden Landes- und damit Zuständigkeitsgrenzen überschritten - juristisch prüfen lassen. "Lothar König ist wegen seines Engagements gegen rechts eine hoch geachtete Persönlichkeit."
Schröter vermutet, solche Maßnahmen sollen in Hinblick auf den Februar 2012, wenn erneut Demonstrationen zum Dresdner Gedenken zu erwarten sind, abschreckend wirken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“