Übersüßte Frühstücksflocken: Zwei Zuckerbomben weniger
Hipp und Real beenden die Produktion von überzuckerten Frühstücksflocken für Kinder. Die Konkurrenz bleibt bei Zuckergehalten von 40 Prozent und mehr.
BERLIN taz | Sie verführen Kinder mit Comicfiguren auf den Packungen und Spielzeugbeigaben – aber enthalten letztlich süßes Gift: überzuckerte Frühstücksflocken. Nun haben der Babynahrungshersteller Hipp und die Supermarktkette Real zwei solcher Produkte aus dem Sortiment genommen.
„Wir liefern die ’Knusperflakes‘ seit 1. November nicht mehr aus“, sagt Hipp-Sprecherin Sandra von Hohenlohe. Sie bestehen je nach Sorte zu 34 bis 41 Prozent aus Zucker – mehr als bei vielen Keksen. Real stoppt nach eigenen Angaben den Verkauf seiner „Drachen Honeys“, deren Zuckergehalt bei 45 Prozent liegt.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte im September kritisiert, dass fast alle gezielt für Kinder vermarkteten Flocken überzuckert seien. In einer Rangliste der größten Zuckerbomben standen die Real-Flocken auf Platz drei, die Hippprodukte belegten ebenfalls vordere Plätze.
Zucker ist mitverantwortlich dafür, dass in Deutschland dem staatlichen Robert-Koch-Institut zufolge 66 Prozent der Männer und 51 Prozent der Frauen übergewichtig sind. Und nur weniger als ein Prozent aller Erwachsenen haben ein kariesfreies Gebiss – die Grundlagen dafür werden bereits im Kindesalter etwa durch zu hohen Zuckerkonsum gelegt. Zucker bedingte Krankheiten bedeuten nicht nur viel menschliches Leid, sondern auch Milliardenkosten für das Gesundheitssystem.
Regionale Hersteller in der Zwickmühle
„Die ersten als Kindermüsli getarnten Süßigkeiten sind jetzt aus den Regalen verschwunden“, erklärte Anne Markwardt, Kinderlebensmittelexpertin bei Foodwatch. „Doch noch immer sind mehr als 90 Prozent der Frühstücksflocken für Kinder wahre Zuckerbomben.“ Tatsächlich will bisher kaum eine Firma dem Beispiel von Hipp und Real folgen. Das gilt auch für die sächsische Wurzener Nahrungsmittel GmbH, die die Flocken mit dem höchsten Zuckergehalt produziert: die „Honey Bees“ mit 48 Prozent Zucker.
„Wir haben bislang jede Veränderung zu weniger Zucker damit bezahlen müssen, dass keiner mehr die Produkte gekauft hat, weil sie nicht mehr geschmeckt haben“, sagte Geschäftsführer Stefan Kuhl der taz. „Wir als kleiner regionaler Hersteller verändern den Markt nicht. Die Großen, wie Kellogg’s oder Nestlé, müssen die Richtung angeben.“
Doch Kellogg’s lehnt es rundheraus ab, seine „Smacks“ (43 Prozent Zucker) zu ändern. Nestlé kündigte immerhin an, den Zuckergehalt in seinen Flocken auf 17 bis 30 Prozent zu senken. Bisher bietet das Unternehmen zwei Produkte mit einem beziehungsweise zehn Prozent Zucker aber lediglich auf einem Internet-Portal an.
Foodwatch fordert deshalb eine gesetzliche Zuckergrenze. „Nur noch solche Frühstücksflocken, die maximal 10 Prozent Zucker enthalten, dürfen an Kinder vermarktet werden“, verlangte Markwardt. Die Industrie wies die 10-Prozent-Forderung umgehend zurück. „Ernährungswissenschaftliche Begründungen für diesen Wert habe ich bislang nicht finden können“, erläuterte etwa Kellogg’s-Sprecher Markus Dreißigacker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste