Überprüfung der Sicherheitsgesetze: Entspannter Dissens
Sind die Anti-Terror-Gesetze in Deutschland zu scharf? Die Minister sind ebenso uneins wie die Experten-Kommission der Bundesregierung.
BERLIN taz | So entspannt kann der Dissens sein. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) waren zwar in fast allen Punkten unterschiedlicher Meinung, aber wenigstens lächelten sie sich dabei ständig an.
Die beiden Minister stellten am Mittwoch den Bericht einer Expertenkommission zur Überprüfung der Sicherheitsgesetze vor, zogen jedoch ganz unterschiedliche Schlussfolgerungen. So schlugen Teile der Kommission vor, dass auch das Bundeskriminalamt (BKA) in die Geheimdienstkontrolle des Bundestags einbezogen werden soll – soweit [nicht „weil“] auch das BKA wie ein Geheimdienst agiere.
Die Justizministerin lobte den Vorschlag als „guten Ansatz mit kluger Begründung“. Der Innenminister sagte, er sei da anderer Ansicht, aber das sei „nur eine Momentaufnahme“ – und lächelte.
Da forderte die Justizministerin, dass das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) eine gesetzliche Grundlage benötige. Im GTAZ arbeiten rund 40 Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern zusammen und tauschen Informationen aus.
Die Justizministerin lächelt
Friedrich aber hielt ein eigenes GTAZ-Gesetz für überflüssig. „Jede Behörde im Zentrum hat für ihre Datenerfassung und die Datenübermittlung eine gesetzliche Grundlage. Im GTAZ werden nur die bestehenden Gesetze vollzogen.“
Nun lächelte die Justizministerin. Sie weiß, wenn der Bundestag untätig bleibt, wird das Bundesverfassungsgericht eines Tages ein solches Gesetz fordern.
Auch bei der Diskussion um den Militärischen Abschirmdienst (MAD) das gleiche Bild. Leutheusser-Schnarrenberger hält ihn für überflüssig und würde die Aufgaben gerne auf Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst verteilen. Zumindest ein entsprechender „Prüfauftrag“ sei nötig.
Friedrich dagegen will am MAD festhalten. Die Bundeswehr brauche diese „spezielle Form des Schutzes“. Jetzt lächelten beide. Sie wissen, bald ist Wahl und dann werden die Karten eh neu gemischt.
Generalbundesanwalt und Föderalismus
Nur an einem Punkt waren sich die Minister einig. Der Generalbundesanwalt soll gestärkt werden. Er soll künftig selbst prüfen können, ob er für Ermittlungen zuständig ist. Neue Befugnisse für die Bundesanwaltschaft wird es vermutlich nicht geben, bremste die Justizministerin und verwies auf das Grundgesetz, das die Staatsanwaltschaften grundsätzlich den Ländern zuordnet.
Die Präsentation des Berichts spiegelt gut dessen Inhalt wider. Auch die Experten, unter anderem Burkhard Hirsch und Ex-Generalbundesanwältin Monika Harms, waren sich fast durchgängig uneins. Die Einsetzung der Regierungskommission war schon 2011 beschlossen worden. Dann aber flog der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) auf und anderes war wichtig.
Erst im Januar 2013 begann die Kommission mit ihrer Arbeit. Sie hatte also nur ein halbes Jahr Zeit und konnte deshalb keine empirische Bestandsaufnahme vorlegen, sondern diskutierte die Rechtslage eher theoretisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen