Übernahmegeschacher um Baukonzern: Hoch über Spanien, Tief über Essen
Für Hochtief bestehen kaum noch Chancen, eine Übernahme durch den spanischen Rivalen ACS abzuwehren. Denn jetzt hat auch die Finanzaufsichtsbehörde BaFin das ACS-Angebot durchgewunken.
ESSEN/BONN dpa | Der spanische Baukonzern ACS hat sich im Kampf um die Mehrheitsübernahme beim deutschen Konkurrenten Hochtief durchgesetzt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gab am Montagabend grünes Licht für ein Übernahmeangebot für das Essener High-Tech-Unternehmen. Der Hochtief-Vorstand wehrt sich bislang vergeblich gegen den als "feindlich" eingestuften Plan.
An der Börse reagierte die Hochtief-Aktie mit einem kräftigen Kurssprung um fast drei Prozent auf 57,57 Euro, nachdem sie am Vortag noch schwer unter Spekulationen über eine mögliche Ablehnung durch die BaFin gelitten hatte.
BaFin und ACS werden das detaillierte Angebot an die Hochtief-Aktionäre nun an diesem Mittwoch im Internet veröffentlichen, wie die Finanzdienstleistungsaufsicht mitteilte. Die BaFin hatte zwischenzeitlich Bedenken, ob das ACS-Angebot rechtmäßig ist und sich deshalb ungewöhnlich viel Zeit für die Prüfung gelassen. ACS habe deshalb seinen Antrag noch deutlich nachbessern müssen, berichtete die BaFin. Dazu zähle die erfolgte Kapitalerhöhung. Dagegen läuft zwar eine Klage spanischer Aktionärsschützer. Die BaFin macht aber nur zur Auflage, dass zum Ende der Annahmefrist für den angebotenen Aktientausch im Januar keine gerichtliche Verfügung gegen die Kapitalerhöhung bestehen dürfe. Das hochverschuldete spanische Unternehmen kann nun Plan weiter verfolgen seinen Anteil von knapp unter 30 Prozent sukzessiv auf über 50 Prozent auszubauen.
ACS hatte zunächst ein gering dotiertes Angebot abgegeben, um ihren Anteil über die aktienrechtlich wichtige Schwelle von 30 Prozent zu hieven. Das Ziel hat ACS-Konzernchef und Real-Madrid-Präsident Florentino Pérez ganz klar auf der Hauptversammlung kürzlich in Madrid formuliert: "Mit der Erhöhung unserer Beteiligung bei Hochtief wollen wir zum Weltmarktführer bei der Infrastrukturentwicklung aufsteigen. Wir werden dann größere Projekte rentabler angehen können." Die neue Gruppe werde in mehr als 60 Ländern präsent sein. Der Umsatz käme auf mehr als 35 Milliarden Euro bei einer Beschäftigtenzahl von rund 213 000 Mitarbeitern.
Hochtief-Vorstand und Betriebsrat des Essener Konzern hatten in den vergangenen Wochen nichts unversucht gelassen, um die ACS-Pläne zu vereiteln. Doch weder fand sich ein "weißer Ritter", der dem Unternehmen zur Hilfe kommt. Noch ist tatkräftige Hilfe von der Bundesregierung durch ein mögliche Verschärfung des Übernahmerechts zu erwarten.
Probleme macht ACS noch die Klage spanischer Kleinaktionäre, die eine Kapitalerhöhung bei ACS für ungültig erklären lassen wollen. Zudem ist der Konzern in Spanien wegen Bilanzfälschung verklagt worden.
Auf Hochtief-Seite haben sich die Abwehrmöglichkeiten auch von anderer Seite dramatisch verringert. Am Montag hatte die australische Übernahmeaufsicht einen Berufungsantrag von Hochtief zum Fall ihrer finanzstarken Tochter Leighton abgelehnt. Damit muss ACS bei einem Angebot für Hochtief nicht auch noch ein Zwangsgebot für die teure Baugesellschaft Leighton abgeben. Hochtief wollte über diesen Umweg die Übernahme für ACS unerschwinglich machen. Leighton ist an der Börse mehr wert ist als der gesamte Mutterkonzern. Jetzt bleiben Hochtief noch die Möglichkeiten einer Kapitalerhöhung oder der Verschmelzung mit Leighton. Letztere Möglichkeit lehnt Hochtief bislang ab, weil dann Leighton das Sagen haben könnte. Bei einer Kapitalerhöhung müsste dann doch noch ein "weißer Ritter" das neue Aktienpaket übernehmen und eine Sperrminorität von mindestens 25 Prozent anstreben.
Die Gewerkschaft IG Bau hat den Kampf bereits verloren gegeben und appellierte an ACS, sich an gegebene Zusagen zu halten. "Hochtief darf nicht zerschlagen werden und die Arbeitsplätze müssen erhalten bleiben", betonte der IG-Bau-Bundesvorsitzende Klaus Wiesehügel. "Mit der Entscheidung der BaFin sind die Würfel gefallen", sagte Wiesehügel. "Wir müssen jetzt nach vorne denken. Es nützt niemandem, sich enttäuscht zurückzuziehen und nichts zu tun."
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