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Übergriffe bei G8-Gipfel in GenuaLeitende Polizisten freigesprochen

Die ranghöchsten angeklagten Polizisten sind im Prozess wegen Übergriffen auf G8-Kritiker in Genua freigesprochen worden. Nur 13 Beamte wurden verurteilt.

Die Polizei ging beim G8-Gipfel in Genua 2001 unverhältnismäßig heftig gegen Demonstranten vor. Bild: dpa

ROM taz "Schande, Schande!" Kaum hatte der Vorsitzende Richter das Urteil verlesen, sprangen zahlreiche Zuschauer auf und machten ihrer Empörung Luft. Staatsanwalt Enrico Zucca standen die Tränen in den Augen angesichts der Flut der Freisprüche, die der Richter verkündete. 29 Polizeibeamte hatte er vor Gericht gebracht, als Verantwortliche des brutalen Sturms auf die Scuola Diaz in Genua am Ende des G-8-Gipfels vor sieben Jahren. Verurteilt wurden am Donnerstagabend nur 13, die ranghöchsten Angeklagten wurden freigesprochen.

Am späten Abend des 21. Juli 2001 war ein Großaufgebot von Polizisten in die den Gipfelgegnern als Schlafstätte dienende Schule eingedrungen. Sie verprügelten die meist schon schlafenden Protestierer brutal und verhafteten dann alle 93 Personen - Italiener, Deutsche, Engländer, Spanier - als vorgebliche Mitglieder einer kriminellen Vereinigung. Die Bilder der vielen Schwerverletzten, die mit Knochenbrüchen, mit Schädeltraumata, mit eingeschlagenen Zähnen auf Bahren aus der Schule getragen wurden, gingen um die Welt.

Die Beamten hätten den Widerstand militanter Gewalttäter brechen müssen, redete sich die Polizeiführung damals heraus. Trotz der zahlreichen frischen Blutlachen in der Schule, auf den Fußböden der Klassenzimmer, auf den Treppenstufen, auf Heizkörpern, behauptete die Polizei, die Demonstranten hätten sich "vorher" verletzt, bei den Straßenschlachten der Vortage. Und als Beweis, dass in der Schule nicht junge Globalisierungskritiker, sondern ein Rollkommando des schwarzen Blocks übernachtet hatte, wurden zwei Molotowcocktails hergezeigt, die angeblich im Eingangsbereich der Schule gestanden hatten.

Binnen weniger Tage aber brach das Kartenhaus der vorgeblichen Beweise gegen die Gipfelgegner zusammen; stattdessen - davon war schließlich auch Staatsanwalt Enrico Zucca überzeugt - entstand das ungeheuerliche Bild eines geplanten, mit der massiven Fälschung von Beweisen einhergehenden polizeilichen Überfalls. Filmaufnahmen belegten, dass die Polizei selbst die Molotowcocktails mitgebracht hatte. Sämtliche am Einsatz beteiligten Beamten aus der nationalen Polizeispitze waren zu sehen, wie sie rund um die Tüte mit den beiden Flaschen konferierten; zu sehen war auch, wie schließlich ein Beamter das Beweisstück in die Schule trug.

So fanden sich schließlich nicht die Gipfelgegner auf der Anklagebank, sondern 29 Polizisten. Zwar gelang es der Staatsanwaltschaft nicht, die zahlreichen Schläger zur Verantwortung zu ziehen, da sie mit Helmen und Tüchern vermummt den Sturm auf die Schule angetreten hatten. Doch die Gruppenführer sowie der Chef jenes Trupps der Bereitschaftspolizei Rom, der die Demonstranten zusammengeschlagen hatte, mussten sich wegen Körperverletzung verantworten. Daneben wurden die vor Ort befindlichen Spitzenbeamten wegen Fälschung von Beweismitteln und Vortäuschung einer Straftat angeklagt.

Verurteilt wurden nun aber nur elf Beamte der Bereitschaftspolizei - so als hätten sie aus eigener Initiative zugeschlagen, während die nationalen Polizeichefs beim Einsatz zuschauten. Und wegen der Molotowcocktails bekamen bloß zwei Beamte Haftstrafen von zwei beziehungsweise drei Jahren - jener Beamte, der die Mollis zur Schule gefahren hatte, und sein Kollege, der sie dann hineintrug. Doch angesichts der Besonderheiten des italienischen Strafrechts wird keiner der Polizisten eine Haftstrafe antreten müssen. Eine milde Verurteilung für einige wenige, zugleich aber ein grandioser Freispruch für die italienische Polizei: In den Augen des Gerichts haben diejenigen, die bei der Gewaltorgie Regie führten, keine Schuld auf sich geladen.

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12 Kommentare

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  • W
    Wayne

    Hier: "Doch angesichts der Besonderheiten des italienischen Strafrechts wird keiner der Polizisten eine Haftstrafe antreten müssen." hätte man (oder zumindest ich) sich (bzw ich mir) dann doch mehr Informationen gewünscht...

  • HK
    haenschen klein

    sag ich schon seit eineiger zeit!

    italien ist z.Z.sicherlich das schlimmste land europas.

    naechster schrittder internationale gerichtshof in den haag.

  • GD
    Gti Driver

    KLAMMHEIMLICH

     

    Die Attac-Gestalten haben Dresche gekriegt? Die Polizisten waren vermummt und nicht die Demonstranten? Nach dem Attac-Tanz in Heiligendamm geht es mir da fast wie Trittin nach dem Mord an Generalstaatsanwalt Buback: KLAMMHEIMLICHE ...

  • Z
    zolo

    falsch gespinnt Herr Dr K. Das war kein hilfloser Versuch der Situation Herr zu werden. Hier eine WDR-Doku zum Gipfel.

     

    http://video.google.de/videoplay?docid=-8876259762606192748

     

    feine und zivilierte Europäer sind wir

  • CK
    Charlie Kilo

    Quo vadis Italia?

     

    Ein Ministerpräsident mit faschistischen und rassistischen Intentionen(s.a. Äußerung zu Obama), eine nicht unabhängige Gerichtsbarkeit,eine Polizeiführung mit krimineller Energie - wohin wird das führen?

    Die eigentlich kinderlieben und gastfreundlichen Italiener sollten schnell diese unheilvolle Regierung in den Po werfen.

    Dieses Land gehört mit dieser Spitze m.E. nicht in eine europäische Gemeinschaft und ich vermisse den Aufschrei der anderen Mitgliedsstaaten.

    Da stellt sich gleich die Frage, weshalb hindert man eigentlich die Türkei so beharrlich an einen EU Beitritt, die ist doch Gold dagegen.

  • L
    Lars

    Danke!

    Dieses Urteil statuiert nicht nur ein fantastisches Exempel auf dem Weg in ein postdemokratisches Europa, sondern hilft mir u.a., meine subjektiven Stereotypen gegenüber Italien zu stärken....

  • GP
    Gudrun Pfennig

    Wer nicht glauben kann, was nicht zu glauben ist, der schaue sich die WDR-Dokumentation von 2002 über den Gipfel in Genus an.

    Erst danach ließe sich über eine berechtigte Verurteilung oder einen Freispruch diskutieren.

     

    http://video.google.de/videoplay?docid=-8876259762606192748

     

    Gudrun Pfennig

  • ST
    Sigrid Thiede

    Es wundert mich nicht, dass mein Kommentar ("NUR 13 Polizisten verurteilt") nicht veröffentlicht wird, geschweige denn, etwas am Artikel verändert wird.

    Die Wahrheit tut weh - oder?

    Sie bedienen sich übrigens der gleichen Mittel, wie es totalitäre Regierungen machen - aufhetzen und differenzierte Meinungen ignorieren. So werden sie nie Menschen überzeugen, die anderer Meinung sind.

    Von dieser Seite habe ich mir ein bisschen mehr erwartet. Schade, dass sie in ihrer kleinen Welt stehen geblieben sind.

  • V
    vic

    Das faschistische Italien, die klare Richtung in Österreich, der Schweiz. Das Kärcher-Land Frankreich, das kameraüberwachte Großbritannien, Polen sowieso, und Schäubles Deutschland.

    "Geschlossenheit" nennt das Frau M.

    Wahrhaftig. Das ist sie, die Europäische Union.

  • P
    Pepe

    Mit diesem Artikel belegt die Taz einmal mehr, ihre einmalige Stellung unter den deutschen Printmedien. Der Artikel fasst das Wesentliche der Vorgeschichte und des Urteils zusammen. Ähnlich präzise findet sich diese Berichterstattung nur im britischen Guardian. Liest man den parlamentarischen Untersuchungsbericht, so wundert man sich zwangsläufig, wie zurückhaltend andere Medien über dieses Urteil berichten.

     

    Wie schon das Urteil im Bolzanetto-Prozess, ist das zynische Ergebnis des Gerichtsverfahrens, dass eindeutig festgestellt wurde, dass staatliche Organe ihre Befugnisse überschritten haben und missbraucht haben. Gleichwohl aber wird für diese Vergehen niemand zur Verantwortung gezogen. Den Opfern wird auch hier bestätigt, dass sie zum Ziel Krimineller wurden, und doch werden diese straflos bleiben. Darf man sich da wundern, dass Menschen, wie Mark Covell, am Rechtstaat verzweifeln? Mark Covell, ein britischer freier Journalist, wurde vor der Diaz-Schule von mehreren Einsatzkräften geschlagen und noch als er reglos am Boden lag getreten. Ihm wurden acht Rippen gebrochen und mehrere Zähne ausgeschlagen. Nach dem Vorfall lag er für 14 Stunden im Koma. Wie alle der anwesenden Personen in der Nähe der Schule wurde er für Verhaftet erklärt. Er war einer von zwei Gefangenen, die trotz Bewusstlosigkeit unter Polizeischutz ins Krankenhaus gebracht wurden. Insgesamt 28 der 93 Verhafteten wurden unter Polizeischutz in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Detailtreue, in welcher der Untersuchungsbericht des italienischen Paralaments den Vorfall rekonstruiert macht diesen auf der einen Seite zu einem Dokument des Horrors, auf der anderen Seite lässt sie keinen Zweifel daran, dass alles getan wurde um ein objektives Bild von dem Vorfall zu gewinnen.

     

    Den Zynismus der beiden vorherigen Kommentatoren kann ich nicht teilen. Die Gründe in Italien von autoritären Tendenzen zu sprechen lassen sich nicht von der Hand weisen, und doch muss man feststelle, dass Italien heute weder faschistisch noch autoritär ist. Dies zu behaupten, so glaube ich, verkennt vielmehr das Wichtige an dem Überfall auf die Diaz Schule. Das Wichtige ist, dass Itaien ein demokratischer Rechtsstaat ist und trotzdem konnte dieser Vorfall passieren. In der Tat kann ein solcher Vorfall in jedem Rechtsstaat passieren. Es ist daher falsch Italien anzuklagen und solche Ereignisse auf autoritäre Tendenzen zu schieben, vielmehr muss festgestellt werden, wie hier ein Rechtsstaat gebeugt wird. Wenn ein Staat sich bedroht fühlt, dann bricht er seine eigenen Gesetze - überall.

  • F
    Felidea

    Für ein faschistisches Land wie Italien ist das Urteil weitaus mehr, als man erwarten konnte.

     

    Es wundert mich aber, dass alle änderen Länder dagegen nicht Einspruch erheben, wie man mit seinen Landsleuten umgegangen ist.

     

    Auf der anderen Seite... es waren ja keine Landestreuen Landsleute. So ist es doch ganz gut, dass diese einmal etwas auf den Deckel bekommen haben, ohne dass sich andere Länder die Hände schmutzig machen mussten.

     

    So wird dieses urteil ganz im Sinne der EU sein... fürchte ich...

  • DK
    Dr K

    Das Bild lässt sich noch weiter Zeichnen! Nicht nur, dass die Polizisten unverhältnismäßig milde Urteile erzielen: Der ganze genueser Gipfel scheint als Exempel der Staatsgewalt, gleichsam als Abschreckung der aktiven Staatskritiker, geplant gewesen zu sein. Eine G8-Versammlung in einer Stadt wie Genua stattfinden zu lassen, ist an sich schon vollkommen unverantwortlich. Jeder, der diese Hafenstadt kennt, weiß, dass ein kapillares System von unvorstellbar engen und für nicht ortskundige teilweise unsichtbaren Gassen und Gässchen das gesamte Zentrum durchzieht. Kein Polizeikorps wäre in der Lage, die Guerrilla gegen protestierende Massen in einem Labyrinth wie diesem zu dominieren. Die unvorstellbare Brutalität, mit der die Carabinieri und die Polizia di Stato hier vorgegangen sind, war nur der hilflose Versuch, durch Einschüchterung der unbezwingbaren Massen Herr zu werden.

     

    Wozu diese Abschreckung? Das Italien unserer Tage ist geprägt von klaren Tendenzen zu einem autoritären Regime; in zehn Jahren wird es vielleicht bereits eines sein.

    Es gibt kein weisungsbefugtes Verfassungsschützendes Gericht. Exekutive und Judikative sind unzureichend getrennt: Eine Regierung kann durch Gesetze eigene Machenschaften im Nachhinein rechtfertigen. Die Interferenzen zwischen Regierungschef und Massenmedien sind europaweit berüchtigt; das liegt daran, dass Politiker in Italien allen beliebig gearteten Zweitberufen nachgehen dürfen.

    Satiriker verschwinden nach der ersten Sendung aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Trotz entsprechender gesetzlicher Sichtbarkeitsgarantien sind bestimmte Parteien im TV-Wahlkampf praktisch nicht präsent.

    Die DIGOS, eine Abteilung der Staatspolizei, ist bei jeder öffentlichen Großveranstaltung anwesend und überwacht politische Äußerungen; eventuelle politische Querschläger werden (und wurden schon in den Neunzigerjahren) im Bedarfsfalle von der Bühne abgeführt.

     

    Quo vadis, Italia?