Übergangsregierung in Griechenland: Alles, nur nicht links
Loukas Papademos ist als neuer Regierungschef im Gespräch. Finanzminister Venizelos bleibt offensichtlich im Amt - er reiste nach Brüssel.
ATHEN taz | Es ist bezeichnend für den Ernst der Lage: Noch bevor der Name des neuen Ministerpräsidenten durchsickert, steht schon der Name des Finanzministers fest, der offenbar auch der alte ist, nämlich Evangelos Venizelos.
Der Vizeregierungschef der letzten Papandreou-Regierung machte sich gleich auf den Weg nach Brüssel, wo sich am Montagabend die Finanzminister der Eurozone trafen, um auch über Griechenland zu beraten. Für Dienstag steht außerdem ein Treffen der EU-Finanzminister in der belgischen Hauptstadt an.
Ansonsten wird in Athen weiter gepokert. Einig sind sich die verhandelnden Sozialisten und Konservativen darüber, dass die neue Übergangsregierung das Land zu Neuwahlen führen soll, voraussichtlich am 19. Februar 2012. Auch auf die Person des Ministerpräsidenten habe man sich geeinigt, hieß es noch am Montagabend.
Panhellenische Sozialistische Bewegung (Pasok): 152 Abgeordnete. Die Partei setzt sich für eine soziale Marktwirtschaft mit starker staatlicher Intervention ein. Die Sozialisten sind seit 1974 im Parlament und haben das Land zwischen 1981 und 1989, 1993 bis 2004 und seit 2009 regiert. Ihnen wird zugeschrieben, eine große Mittelklasse, dabei aber auch ein Klientelsystem geschaffen zu haben, das den Staat bis heute belastet.
Nea Dimokratia (ND): 85 Abgeordnete. Die ND ist eine bürgerlich-konservative Partei. Sie hat 1974 das Ruder von der Obristenjunta übernommen und das Land zur Demokratie geführt. Ihr Gründer, Konstantinos Karamanlis (1907-1998), gilt als der Architekt des Beitritts in die Europäische Gemeinschaft (EG). Die Partei regierte Griechenland zwischen 1974 bis 1981, danach wieder 1990 bis 1993 und zwischen 2004 und 2009. Die Nachfolger, darunter Neffe Kostas Karamanlis, förderten das Klientelsystem und gelten als mitverantwortlich für die Misere im Land.
Kommunistische Partei (KKE): 21 Abgeordnete. Die Partei agiert noch immer sehr orthodox. Sie propagiert derzeit "den Widerstand und den Aufstand". Das kapitalistische System breche zusammen. Nur eine Volksmacht könne das Land retten, glaubt Generalsekretärin Aleka Papariga. Griechenland solle jetzt aus der EU austreten.
Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS): 16 Abgeordnete. Eine ultrakonservative Partei, die nationalistische und ausländerfeindliche Parolen hören lässt. Die rund eine Million Nicht-EU-Ausländer in Griechenland sollen laut LAOS möglichst schnell in ihre Herkunftsländer zurückkehren.
Bündnis der Radikalen Linken (SY.RIZ.A.): 9 Abgeordnete. Eine bunt gemischte Linkspartei, in der ehemalige Eurokommunisten, Trotzkisten, Maoisten, Autonome und andere linke Gruppierungen ein politisches Dach finden. Die Partei ist für die Mitgliedschaft Griechenlands in der EU und dem Euroland.
Darüber hinaus gibt es 17 fraktionslose Abgeordnete, darunter zwei Gruppierungen: Die Demokratische Allianz (DISY) wird von der ehemaligen griechischen Außenministerin Dora Bakogianni geführt und hat 4 Abgeordnete. Außerdem ist die Demokratische Linke mit 4 Abgeordneten im Parlament vertreten.
Als aussichtsreichster Kandidat gilt der Bankier und ehemalige EZB-Vizechef Loukas Papademos, der in Deutschland hohes Ansehen genießt und schon heute die sozialistische Regierung von Giorgos Papandreou gelegentlich in Wirtschaftsfragen berät. Offenbar ahnt Papademos, welche Herkulesaufgaben auf ihn zukämen, denn er soll in der Vergangenheit schon mehrmals den Job des Finanzministers abgelehnt haben.
Verfassungsrechtliche Probleme
Und auch am Montag wollte der ehemalige EZB-Vize wohl die eine oder andere Bedingung diktieren. Im Gespräch für die Führung der Übergangsregierung bis zu den Neuwahlen im Februar war außerdem der ehemalige EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, ein Konservativer.
Die Verzögerung der Athener Verhandlungen ist allerdings nicht auf Papademos, sondern vor allem auf verfassungsrechtliche Probleme und parteipolitisches Manöver zurückzuführen. Immerhin betreten Politiker und Verfassungsjuristen Neuland.
Erstmals in der Geschichte Griechenlands soll nämlich ein Ministerpräsident die Macht übergeben, ohne selbst offiziell zurückgetreten zu sein. Dieser neue Griff Papandreous in die politische Trickkiste soll offenbar seine eigene politische Zukunft sichern: Mitte November läuft seine Amtszeit als Parteivorsitzender aus, aber er könnte sich wieder zum Parteichef wählen lassen und bei den Neuwahlen 2012 erneut kandidieren mit dem triumphierenden Hinweis, sein Gegenspieler Samaras habe die kritische Einstellung zur drastischen Sparpolitik der Sozialisten ohnehin aufgegeben und vertrete mittlerweile dieselbe wirtschaftspolitische Linie wie Papandreou.
Linksparteien alleine in der Opposition
Genau diesen Eindruck will die konservative Nea Dimokratia um jeden Preis vermeiden, um ihre durch die Sparmaßnahmen gebeutelten Stammwähler bloß nicht zu verlieren. Aus diesem Grund weigert sich Parteiführer Samaras, hochkarätige Abgeordnete der Konservativen in die neue Regierungsmannschaft aufnehmen zu lassen.
Am Montagnachmittag durfte auch der Vorsitzende der rechtspopulistischen Orthodoxen Volksbewegung, Giorgos Karadzaferis, beim Staatspräsidenten vorsprechen. Seit einigen Jahren gibt er sich betont moderat, pflegt aber auch sein Gedankengut, wenn es darauf ankommt. Folgerichtig machte er als Voraussetzung für seine Unterstützung geltend, die Regierung müsste das Ausländerrecht modifizieren, um den Zugang zur griechischen Staatsangehörigkeit zu erschweren.
Kaum anzunehmen, dass Papandreou auf diese Forderung eingeht. Die Rechtspopulisten werden wohl weiterhin auf Distanz bleiben und sich mit bissiger Kritik zurückhalten, um wertkonservative Wähler nicht abzuschrecken.
Die Folge: Linksparteien müssen im Alleingang die Rolle der Opposition übernehmen. Der Abgeordnete der gemäßigten Linken Allianz, Dimitris Papadimoulis, kritisierte bereits die Bildung einer Einheitsregierung aus Sozialisten und Konservativen und erklärte in einem TV-Interview, zweimal falsch würde doch nicht einmal richtig ergeben.
Noch viel drastischer fällt die Kritik der einst moskautreuen Kommunistischen Partei Griechenlands aus: Die neue Regierung sei eine gemeinsame Front Brüsseler und griechischer Plutokraten, die gegen das Volk mit Feuer und Schwert kämpfen, erklärte Parteisprecher Panayotis Mendrekas.
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