Übergangsregierung für Ägypten: Obama verhandelt mit dem Militär
Die USA dringen auf eine Wende in Ägypten: Während Präsident Mubarak weiter an seinem Amt festhält, laufen offenbar hinter seinem Rücken Verhandlungen mit dem Militär.
WASHINGTON/KAIRO dpa | Die USA wollen nun offenbar einen Machtwechsel in Ägypten. Während Präsident Husni Mubarak weiter an seinem Amt festhält, gibt es Medienberichten zufolge bereits Verhandlungen über eine Übergangslösung unter Beteiligung des Militärs - an denen Mubarak nicht beteiligt ist.
Nach einem Bericht der New York Times diskutiert die Regierung von US-Präsident Barack Obama mit ägyptischen Regierungsbeamten einen Vorschlag für einen sofortigen Rücktritt Mubaraks. In der US-Regierung hieß es, es würden mehrere Varianten für einen Machtwechsel mit den Ägyptern diskutiert.
Die Macht solle eine Übergangsregierung unter Vizepräsident Omar Suleiman an der Spitze übernehmen. Die Interimslösung solle die Unterstützung des Militärs haben, berichtet die New York Times unter Berufung auf Regierungsbeamte und arabische Diplomaten am Donnerstagabend (Ortszeit). Auch der Generalstabschef der ägyptischen Armee, Generalleutnant Sami Hafis Anan, und Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi stehen demnach hinter der Übergangsregierung.
Der New York Times zufolge sollen auch andere politische Kräfte eingebunden werden, einschließlich der Muslimbrüderschaft. Allerdings räumen die Regierungsbeamten ein, eine Lösung hänge von verschiedenen Faktoren ab, vor allem von der weiteren Entwicklung der Proteste. Außerdem betonten sie, dass nicht direkt mit Mubarak verhandelt werde.
Der US-Nachrichtensender CNN berichtet später unter Berufung auf den Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Tommy Vietor, dass US-Beamte mit den Ägyptern eine "Auswahl von unterschiedlichen Wegen" diskutierten, wie eine neue Regierung aussehen könnte. Vietor betonte: "Alle jene Entscheidungen müssen vom ägyptischen Volk getroffen werden".
Mubarak lehnt einen sofortigen Rücktritt bisher strikt ab. "Wenn ich heute zurücktrete, wird Chaos ausbrechen", sagte er dem TV-Senders ABC. Er hält sich nach Angaben des Senders im schwer bewachten Präsidentenpalast in Kairo auf.
Schon vor dem Freitagsgebet haben sich auf dem Tahrir-Platz in Kairo wieder mehr als zehntausend Menschen versammelt. Augenzeugen berichteten, in der Innenstadt hätten insgesamt rund 1000 Soldaten Stellung bezogen. Die Armee rollte erstmals Stacheldraht an den Zugängen zum Platz aus, um Ausweiskontrollen sicherzustellen. Beobachter berichteten, nach dem Mittagsgebet würden hunderttausende Demonstranten zum "Tag des Abgangs" erwartet. Am Freitag läuft das Rücktrittsultimatum der Protestbewegung an Präsident Husni Mubarak ab. Die Opposition befürchtet, dass wieder gewalttätige Mubarak-Anhängern in Aktion treten könnten.
Unterdessen bot Vizepräsident Omar Suleiman der Opposition, einschließlich der Muslimbruderschaft, umfassende Verhandlungen an. Der neue ägyptische Regierungschef Ahmed Schafik kündigte eine Bestrafung der Verantwortlichen für die Angriffe auf Regimegegner und eine Untersuchung der Unruhen auf dem Tahrir-Platz in Kairo an.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat die Übergangsregierung derweil zum Dialog mit dem Volk aufgerufen. Sie habe mit Vizepräsident Omar Suleiman am Donnerstagabend telefoniert: "Wir haben auf die Unterstützung des Volkes in den Straßen gedrängt, damit die Gewalt nicht wieder ausbricht", sagte Ashton am Freitag vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Sondertreffen einen "raschen und geordneten Übergang" in Ägypten fordern. Weitere Gewalt müsse unbedingt vermieden werden, heißt es in dem Entwurf der Abschlusserklärung. Zu Staatspräsident Husni Mubarak will sich die Union nicht explizit äußern.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die ägpytische Regierung am Freitag zum Schutz der Demonstranten aufgerufen. "Wir fordern, dass die ägyptischen Sicherheitskräfte an diesem entscheidenden Freitag freie und friedliche Demonstrationen für die Menschen ermöglichen", sagte sie zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel.
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