: Überfordernde Verdauungen
■ Encore – Immer wieder die Frauen von Pascal Bonitzer rettet Schmerzensfrauen intelligent vor der Verwurstung
Was ist nur mit den Weibern los? Anstatt zu flirten, dozieren sie schmallippig über Yin und Yang, verlieren sich in wirre Abhandlungen über Körper und Geist, über brasilianische Götter und ganzheitliche Ernährung. Asketisch und ernsthaft, so scheinen sie, die jungen Gänse. Und dennoch ist da der Minirock, grazile Hälse, Feuer und Lebhaftigkeit, kurz: Jugend.
Sie zieht den Pariser Philosophieprofessor Abel Vichac in ihren Bann. Und das umso mehr, je rätselhafter ihm das Gehabe der Studentinnen vorkommt. Dem zerknitterten Mittfünfziger sieht man an, daß er alles mitgemacht hat: Mai '68, Mitterand, Scheidung, Foucault und vielleicht noch die Psychoanalyse. Mit diesem Esoterik-Zeugs jedoch und diesem freudlosen Rückzug auf individuelles Gekränkel, das sich hauptsächlich um gute Verdauung dreht, ist er überfordert. Dabei geht es ihm selbst nicht gut, er raucht, trinkt zuviel Kaffee, träumt schlecht und muß das eifersüchtige Gemecker seiner Freundin aushalten, die nicht mehr ganz so jung wie des Professors Verehrerinnen ist.
Mit anderen Worten: Es wird unheimlich viel geredet in diesem Film, der nervtötend typisch französisch ist, in Cafés, engen Pariser Wohnungen und normannischen Ferienhäusern spielt und sich außer um Frauen auch um das Essen dreht. Und der Professor selbst dreht sich im Teufelskreis, denn nach viel Gelaber, erotischen Versuchungen und einigen Slapstick-Einlagen landet er verzweifelt in den Armen seiner angestammten Freundin, man ahnt es gleich, in der Vorhölle der klebrigen Zweisamkeit, bei Steak und Rotwein in der gemeinsamen Küche.
Regisseur Pascal Bonitzer hat Drehbücher für Rivette und Téchiné (Diebe der Nacht) geschrieben; Encore ist sein erster Langfilm. Und weil Bonitzer selbst 50 Jahre alt ist, scheint diese Komödie über die Midlife-Crisis eines Intellektuellen auch autobiographisch geprägt zu sein. Sehen wir einmal darüber hinweg, daß hier wieder mal Wunscherfüllung betrieben wird, indem junge Frauen einen alten Sack umschwärmen. Fakt ist: Auch die Hasser dieser Sorte französischen Films müssen anerkennen, daß mit Valeria Bruni-Tedeschi und Natacha Régnier einmal mehr wunderbare Schauspielerinnen zum Zuge kommen, die bei uns als Übermütter, Schmerzensfrauen oder Selbstmörderinnen verwurstet würden, hier jedoch diejenigen sind, die stets die Fäden in den Händen halten.
Encore ist auch die Tragödie eines lächerlichen Mannes. Und nirgends sonst wird so intelligent und amüsant zugleich der traurige Geschlechterdialog variiert: „Ich liebe dich.“– „Ich mich auch.“
Birgit Roschy
Holi, Studio
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