USA UND EUROPÄER MÜSSEN IN DEN NAHOSTKONFLIKT EINGREIFEN: Arafats gescheiterte Taktik
In Nahost war und ist der Terror ein Mittel der Politik. Für beide Seiten, Israelis wie Palästinenser. Und das wird vorerst so bleiben. Der Grund ist simpel: Ariel Scharon will die palästinensische Autonomiebehörde mitsamt ihrem Präsidenten zum Teufel jagen – und damit dem Friedensprozess von Oslo ein definitives Ende bereiten. Ein palästinensischer Staat soll verhindert, die Siedlungspolitik und die damit einhergehenden Landenteignungen fortgesetzt werden. Am Ende stünde ein israelischer Diktatfrieden, der einem völlig zermürbten palästinensichen Volk aufgezwungen werden könnte. Der fortdauernde Hausarrest gegen Jassir Arafat steht ebenso für diese Strategie wie die wiederholten Bombardements des Flughafens von Gaza-Stadt, die jüngsten Angriffe auf die palästinensiche Küstenwache und die Zerstörung von mehr als 70 Wohnhäusern im Gaza-Streifen in der vergangenen Woche.
Arafat steckt in der Zwickmühle: durch seine eigene, zu Zeiten Netanjahus noch so erfolgreiche Taktik. Nach der Anschlagsserie in den Jahren 1995 und 1996 konnte er sich noch als derjenige präsentieren, der – bei entsprechender Gegenleistung – Hamas und Dschihad unter Kontrolle brachte. Doch das River-Wye-Abkommen, das Israels Regierungschef Netanjahu 1998 auf Druck der USA unterzeichnete und das einen weiteren israelischen Rückzug vorsah, wurde von Netanjahus Nachfolger Barak schlicht ignoriert. Nach dem Scheitern des Gipfels von Camp David im Sommer 2000, dem provokativen Auftritt Scharons auf dem Tempelberg und seiner späteren Wahl zum Ministerpräsidenten wusste Arafat, was ihm drohte. Seine Gegenstrategie: eine kontrollierte gewaltsame Konfrontation, die zweite Intifada. Das Ziel: Scharon als den Schlächter von Beirut und Palästinenserfresser an den Pranger zu stellen, Israels Führung zu isolieren und die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen zu bewegen.
Die Rechnung ist nicht aufgegangen – wegen der Anschläge vom 11. September, aber auch wegen der Brutalität der israelischen Militärbesatzung. Arafat kann sich nur noch einigeln und der israelischen Belagerung trotzen. Gegen Hamas und Dschihad wird er nur vorgehen, soweit es nicht anders geht. Aber vor Scharon kapitulieren wird er nicht. Konsequenz: Der Konflikt wird eskalieren. Und die USA und die EU werden sich fragen lassen müssen, warum sie nicht eingegriffen haben. GEORG BALTISSEN
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