US-Vorwahlkampf: Ein Rennen, offen wie nie
Am 3. Januar beginnen mit den Primaries im US-Bundesstaat Iowa die Vorwahlen, und nichts ist klar: Obama ist bei den Demokraten zurück, Huckabee jagt die Republikaner.
Die Nervosität steigt. Am 3. Januar beginnen mit den Primaries im US-Bundesstaat Iowa die Vorwahlen, und nichts ist klar. Weder in der demokratischen noch in der republikanischen Partei. Bei den Demokraten liegt Barack Obama laut einigen Umfragen für Iowa und New Hampshire mit 31 Prozent 1 bis 3 Punkte vor Hillary Clinton. Bei den Republikanern sind drei Kandidaten gleichauf: Rudy Giuliani, Mitt Romney und Mike Huckabee. Noch nie war das Rennen so offen, sagen alle Experten.
So früh wie nie starten 2008 die Primaries, der Vorwahlkampf in den USA. Durch diese parteiinternen Wahlen wird bestimmt, wer schließlich für die Demokraten und für die Republikaner antreten wird, um Präsident(in) der Vereinigten Staaten zu werden.
Der Kalender der wichtigsten Primaries der Demokraten:
- 3. Januar: Iowa
- 8. Januar: New Hampshire
- 26. Januar: South Carolina
- 5. Februar: Primaries in 22 Bundesstaaten, darunter in großen Staaten wie Kalifornien und New York. Außerdem wählen am "Tsunami Tuesday" noch die Demokraten im Ausland. Dann dürfte die Entscheidung gefallen sein.
Der Kalender der wichtigsten Primaries der Republikaner:
- 3. Januar: Iowa
- 8. Januar: New Hampshire
- 19. Januar: South Carolina
- 5. Februar: Ebenfalls Primaries in 22 Staaten, darunter ebenso Kalifornien und New York. GES
Die 16 Kandidaten beider Parteien attackieren nun frontal, über die Bande oder einfach durch Schweigen. Mike Huckabee, der republikanische Shootingstar der Wahlsaison, behauptete, dass die Mormonen, gemeint war sein Konkurrent Mitt Romney, Satan für den Bruder Jesu halten. Es folgten eine Entschuldigung ob so deutlichen Unsinns - und neue gezielte Diskreditierungen.
Ein hochrangiger Wahlkampfmanager Hillary Clintons streute das Gerücht, Obama habe mit Drogen zu tun. Der Mann musste seinen Hut nehmen, Clinton entschuldigte sich. Doch Hillarys oberster Wahlkampfstratege Mark Penn benutzte am gleichen Tag erneut das Wort "Kokain" im Zusammenhang mit Obama. Zufall oder Strategie? Der Senator aus Illinois hatte in seiner Autobiografie gestanden, in seiner Jugend mit Kokain experimentiert zu haben.
Der Vorfall zeigt die Verzweiflung im Hillary-Team. Laut Gerüchten soll die Ex-First-Lady Penn vorgeworfen haben, er habe sie zu lange als "natürliche Anwärterin" auf den Präsidentensessel auftreten lassen. Manche werfen der einzigen Frau im Rennen vor, sie sei zu arrogant und zu selbstgewiss vorgegangen. Bislang ging die Rechnung auf. Hillary führte seit Monaten mit bis zu 40 Prozent Zustimmung.
An Weihnachten ist nun erst einmal Pause. Am Mittwoch und Donnerstag debattierten Republikaner und Demokraten ein letztes Mal. Beide Debatten waren ob der Fragen aber so öde, dass einige Demokraten darum bettelten, etwas zum Irakkrieg sagen zu dürfen.
Die Vorwahlen in Iowa gelten als nationaler Stimmungstest und haben psychologisch die Wirkung eines Katalysators. Wer in Iowa gewinnt, hat diesmal beste Karten, auch am 8. Januar die Vorwahlen in New Hampshire zu gewinnen. Mit so viel gewonnenem Schwung könnten es die Kandidaten dann auch durch die darauf folgenden Vorwahlen schaffen, glauben die Analysten.
Der erstmals so eng gestrickte Wahlkalender helfe den Außenseitern, heißt es, und bereite der Wahlkampfmaschinerie Hillary Clintons Kopfschmerzen. Denn was bei Vorwahlen zähle, sei "momentum, momentum, momentum", sagt Chuck Todd, Wahlanalyst und politischer Direktor beim US-Fernsehsender NBC. Denn entschieden werden die Wahlen ihrer Meinung nach von der großen grauen Menge der Unentschlossenen. Bis zu 60 Prozent der US-Wähler geben an, noch nicht zu wissen, für wen sie sich entscheiden werden. Wer erst einmal auf den Titelseiten landet, hat beste Aussichten, für einen Siegertyp gehalten zu werden.
Huckabee, der gute Chancen auf einen Sieg in Iowa hat, wird es zwar in den nächsten Wochen nicht mehr so leicht haben mit seiner optimistischen Masche. Denn längst haben seine Konkurrenten, wie es in US-amerikanischen Wahlkämpfen üblich ist, ihre Schnüffler in die Spur geschickt, um Negatives über ihn auszugraben. So tauchte plötzlich der Fragebogen auf, den Huckabee 1992 ausfüllen musste, als er vergeblich für den US-Senat kandidierte. Darin hatte er erklärt, dass Homosexualität eine schlimme Sünde sei und Aids kein staatliches Gesundheitsprogramm verdiene, sondern HIV-Infizierte vielmehr wie Pestkranke isoliert werden müssten. Dass die Wühlarbeit der Konkurrenten Huckabees Senkrechtstart in der Vorwahlrunde wirklich aufhalten kann, wird bezweifelt, aber als Kandidat wäre er einem Obama oder einer Hillary Clinton wohl nicht gewachsen.
Huckabee wie auch Obama repräsentierten - unabhängig von ihrer wenig vom jeweiligen Parteimainstream abweichenden Programmatik - mehr als andere den US-weit erhofften "Change", den Neuanfang. Die etablierten Frontrunner Hillary Clinton, die noch immer mit satten 39 Prozent Zustimmung das Demokratenfeld anführt, und Giuliani, der mit 21 Prozent mittlerweile gleichauf mit Huckabee ist, verdächtigt niemand, eine Stunde null der US-Politik einläuten zu können. Im Gegenteil.
Unter den Demokraten gilt Iowa daher als das Referendum über die Grundsatzfrage: Erfahrung oder Neuanfang? Hillary hat bis heute alles gegeben, was sie als Washington-Veteranin zu geben hat. Selbst ihre Niederlagen der Vergangenheit, beispielsweise ihre 1994 als First Lady vergeigte Initiative zur Schaffung eines besseren Gesundheitswesens, zeigte sie im Wahlkampf stets als ehrenvolle Narben aus dem Raubtierkäfig Hauptstadt vor. Obama, den Karikaturisten gerne "Obambi" nennen, prophezeite sie immer wieder indirekt, er werde darin wie ein Rehkitz zerfleischt werden. Ihre Fans schätzen diesen Realismus. Sie setzen weniger auf unerfahrene Träumer, sondern wollen in Washington eine solide, gestandene Handwerkerin sehen, die keine Zeit damit verliert, den auf Grund gelaufenen Tanker USA wieder flottzumachen.
Für was die insgesamt 16 Kandidaten inhaltlich nun genau stehen, dafür interessieren sich viele US-Wähler noch nicht. Anders als im Kick-off-Staat Iowa, wo nahezu alle Kandidaten bislang rund 80 Prozent ihrer Wahlkampfzeit und ihrer Ressourcen einsetzten, haben die Wähler in anderen Staaten die Bewerber meist noch nie zu Gesicht bekommen. Deshalb sind die Primaries von Iowa, bei denen im Schnitt nicht mehr als 120.000 US-Bürger wählen, der Anfang - oder das Ende - aller Hoffnungen.
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