US-Raketenschild: Das Hummer-Treffen
Russlands Präsident Putin macht US-Präsident Bush Vorschlag zur Beilegung des Streits über US-Raketenschild.
WASHINGTON taz Es war ein krawattenloses Treffen, das mehr der Herstellung guter Stimmung dienen sollte als konkreter Ergebnisse. Nachdem George W. Bush und Wladimir Putin am Sonntag in der Familienresidenz der Bushs in Kennebunkport im US-Bundesstaat Maine fischen gegangen waren - und Putin den einzigen Fang machte, kam es am Montag doch noch zu einem neuen Angebot.
Russlands Präsident schlug dem US-Präsidenten zur Beilegung des Streits über den geplanten US-Raketenschild in Polen und Tschechien vor, in das Projekt ein Radarsystem in Südrussland einzubeziehen. Zudem, so Putin, sollten mehr europäische Staaten an den Beratungen dazu teilnehmen. Dies könne im Rahmen des Nato-Russland-Rates geschehen, was die Beziehungen beider Länder auf ein anderes Niveau heben könnte.
Wie US-Medien berichteten, habe Bush auf die Vorschläge höflich reagiert. Er nannte sie "sehr innovativ" und sicherte zu, sie prüfen zu wollen. Bush hielt daran fest, das Abwehrsystem trotz der Bedenken Russlands in Osteuropa stationieren zu wollen. Das lehnte Putin erneut ab. Er ließ seinen Gastgeber wissen, er sei nicht überzeugt von dem Vorhaben. Zuvor hatte Moskau den Raketenschild als Gefahr für Russland kritisiert. Die USA argumentieren, das Abwehrsystem richte sich nicht gegen Russland, sondern schütze vor Angriffen aus "Schurkenstaaten" wie Iran oder Nordkorea.
Putin hatte Bush schon beim G-8-Gipfel in Heiligendamm im Juni mit dem Vorschlag überrascht, eine Radaranlage in Aserbaidschan für das Abwehrsystem zu nutzen. Damit sollten die von den USA geplanten Anlagen in Polen und Tschechien ersetzt werden. Washington hatte auf diese diplomatische Initiative zurückhaltend reagiert.
Bushs Sicherheitsberater Stephen Hadley sagte am Montag nach dem Gipfel in Maine, dass Putins Vorschläge ein "gutes Zeichen" dafür seien, dass Russland guten Willens sei, mit der Nato und den USA ein Missiles-Abwehrsystem zu errichten. "Es war ein Hummer-Gipfel", beschrieb Russlands Außenminister Sergej Lawrow den Auftakt des Treffens am Sonntag. Bei einem gemeinsamen Abendessen wurden die leckeren Krustentiere serviert.
Nicht bekannt wurde, ob die beiden Präsidenten über die Zukunft des Kosovo diskutiert haben. Die USA befürworten eine Unabhängigkeit, Russland hat sich dagegen ausgesprochen. Bei den Gesprächen teilte Putin laut US-Zeitungsberichten kleine Seitenhiebe aus. So soll er Bush mit Fragen nach den "Beweisen", die zum Irakkrieg führten, sowie nach den Folterverhören durch die CIA traktiert haben. "Wir haben gemeinsame Probleme", sagte Putin, nachdem er sich kritisch über die Demokratie-Erziehungsversuche seitens Washingtons geäußert hatte.
Kennebunkport, der Ort des Treffens, sollte an den Kalten Krieg der beiden Nationen erinnern und an die heute deutlich gewandelten Beziehungen. Obwohl Putins Vorschlag einer russischen Beteiligung am Raketenschild für die US-Amerikaner überraschend kam, bekundeten beide Präsidenten, dass das Treffen den Zweck einer atmosphärischen Verbesserung erfüllt habe.
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