US-Präsidentschaftswahlen: Debatte um Joe Biden geht weiter
US-Präsident Joe Biden zeigt sich entschlossen, an seiner Kandidatur festzuhalten. Dafür bekommt er öffentliche Unterstützung. Einige rücken aber ab.
Auch seine Sprecherin Karine Jean-Pierre antwortete auf die Frage, ob der 81-Jährige nach seiner weithin als schwach bewerteten Wahldebatte einen Rückzieher prüfe: „Absolut nicht.“ Für Aufsehen hatte ein Bericht der Zeitung New York Times gesorgt, wonach Biden sich gegenüber einem Verbündeten besorgt gezeigt haben soll über die Aussichten für seinen Wahlkampf. Ein Biden-Sprecher wies den Bericht als „absolut falsch“ zurück.
Später sprach Biden im Weißen Haus gut eine Stunde persönlich und virtuell mit mehr als 20 Gouverneuren seiner Partei. Die Gouverneure nannten das Gespräch offen, äußerten sich aber besorgt über Bidens Auftritt bei der Debatte vergangene Woche. Dennoch bekräftigten sie ihre Unterstützung für Biden. „Der Präsident ist unser Kandidat. Der Präsident ist unser Parteiführer“, sagte Gouverneur Wes Moore aus Maryland. Biden habe bei dem Treffen „sehr deutlich gemacht, dass er angetreten ist, um zu gewinnen“.
In Gesprächen unter vier Augen bemühte sich Biden um eine Kurskorrektur nach seinem desaströsen Debattenauftritt gegen Trump und bat um Urteile, was alles schief gelaufen sei. „Wir hatten ein direktes, offenes, klares Gespräch“, sagte Senator Chris Coons, der am Dienstag mit Biden sprach, der Nachrichtenagentur AP. „Er wollte Ratschläge. Er bat ernsthaft um Input und Kommentare dazu, was er tun sollte, um Vertrauen und Unterstützung wiederherzustellen.“
Demokraten und Sponsoren: verhalten, besorgt, frustriert
Doch trotz Bidens Bemühungen mehrten sich die Anzeichen, dass in der Partei die Unterstützung für den Präsidenten schwindet. Der Abgeordnete Raúl Grijalva sagte der Zeitung New York Times, er unterstütze Biden, solange dieser kandidiere. Biden trage jedoch Verantwortung dafür, wie es mit seinem Amt weitergehe, und ein Teil dieser Verantwortung bestehe darin, aus dem Rennen auszusteigen.
In privaten Gesprächen zeigte sich Frustration über die Reaktion des Wahlkampfteams auf die Debattenleistung des Präsidenten, vor allem, weil sich Biden mehrere Tage Zeit ließ, bevor er bei hochrangigen Parteimitgliedern direkte Schadensbegrenzung betrieb. Hochrangige Berater sagten, der 81-jährige Biden habe nur noch wenige Tage Zeit, um seine Eignung für das Amt überzeugend unter Beweis zu stellen. Zwei informierte Quellen sagten, Biden akzeptiere die Dringlichkeit der Aufgabe, nachdem er Umfragen und stapelweise Medienberichte durchgegangen sei. Er sei aber überzeugt, dass er das in den kommenden Tagen schaffen könne.
Indessen forderte ein wichtiger demokratischer Spender, Netflix-Mitbegründer Reed Hastings, den Präsidenten auf, aus dem Rennen auszusteigen. „Biden muss beiseite treten, damit ein starker demokratischer Führer Trump besiegen und uns Sicherheit und Wohlstand bringen kann“, sagte Hastings, worüber zuerst die New York Times berichtet hatte.
Die meisten demokratischen Kongressmitglieder verhielten sich abwartend, doch machte sich das Gefühl breit, dass diese Wartezeit abläuft. Einige sagten, Vizepräsidentin Harris sei die Favoritin dafür, an die Stelle Bidens zu treten, falls dieser sich zurückziehen sollte. Das sei die beste Möglichkeit, Chaos, Streit und Spaltung auf dem Nominierungsparteitag im August zu vermeiden. Als Alternativen wurden die Gouverneure Gavin Newsom aus Kalifornien und Gretchen Whitmer aus Michigan genannt.
Kamala Harris an die Spitze?
Am Mittwochabend veröffentlichten die New York Times und das Wall Street Journal Umfragen, in denen der republikanische Bewerber Donald Trump übereinstimmend mit sechs Prozentpunkten vor Biden liegt.
Erstmals sprach am Mittwoch auch ein hochrangiger Demokrat über den möglichen Ablauf nach einem Ausscheiden Bidens. Der Abgeordnete Jim Clyburn – der den Ruf eines Königsmachers bei den Demokraten genießt – sagte dem Sender CNN, es könne „Mini-Vorwahlen“ geben. Wenn Vizepräsidentin Kamala Harris als Kandidatin für die Präsidentschaftswahl antreten würde, bräuchte sie zudem selbst einen neuen Vize. „Und damit würde all das uns die Gelegenheit geben, nicht nur zu prüfen, wer an der Spitze der Liste stehen sollte, sondern auch, wer für den zweiten Platz am besten geeignet wäre.“ Clyburn hatte sich am Dienstag bereits für Harris als Ersatzkandidatin ausgesprochen, sollte es soweit kommen.
Auch aus Kreisen der Demokraten war in den vergangenen Tagen verlautet, Harris stehe trotz aller Vorbehalte an erster Stelle der möglichen Bewerber. Die 59-Jährige hat sich in ihrem Amt schwer getan, in Bidens Wahlkampfteam wurde sie von vielen lange als potenzielle Belastung empfunden. In einer am Dienstag veröffentlichten Reuters/Ipsos-Erhebung hatte sie wie Biden auch faktisch gleichauf mit Trump gelegen. Andere mögliche Kandidaten schneiden laut der Erhebung eher schlechter ab.
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