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US-Präsident verliert SenatsmehrheitObamas Gegner formieren sich

Durch drei Siege in Folge stehen die Gegner der Gesundheitspolitik von US-Präsident Obama gut da - eigentlich.

Musste ein Jahr nach seiner Amtsübernahme erneut eine Schlappe hinnehmen: Obama. Bild: dpa

WASHINGTON taz Der "nackte Mann im Kleinlaster", haben Kritiker über Scott Brown gespottet. Jetzt hat der 50-jährige Republikaner aus Massachusetts es geschafft: In dem traditionell liberalen Bundesstaat in Neuengland, einer Hochburg der Demokraten, wo Barack Obama bei den Präsidentschaftswahlen 26 Prozent Vorsprung hatte, gelang dem Provinzpolitiker ein klarer Wahlsieg. Seiner eigenen Partei verhilft Brown damit zu Träumereien von kommenden Erfolgen bei den Halbzeitwahlen im Herbst.

Den Demokraten, die mit ihm ihre sichere Mehrheit im Senat verloren haben, macht er Angst und Bange. Brown, der als Student nackt für das Magazin Cosmopolitan als "Americas sexiest man" posiert hat, steuerte im Wahlkampf persönlich seinen Pick-up-Truck durch Massachusetts. Damit setzte er auf ein amerikanisches Symbol des einsamen Helden von unten, der seinen Weg allein macht. Im Unterschied zu der im Wahlkampf lange nur wenig präsenten demokratischen Kandidatin Martha Coakley setzte Brown auf Omnipräsenz. Er zeigte seinen von regelmäßigem Triathlontraining gestählten Körper täglich bei öffentlichen Auftritten. Hielt Reden, die selbst seine politischen GegnerInnen als "charismatisch" empfanden. Und versprach den nur 6 Millionen Bewohnern seines Bundesstaates, dass er, falls sie ihn nach Washington schicken sollten, dort die Gesundheitsreform zu Fall bringen werde.

Die Spitzen der republikanischen Partei haben seinen Erfolg sofort zu einer nationalen Sache gemacht. "Die Demokraten in Washington sollten auf das amerikanische Volk hören", sagte John Cornyn, republikanischer Senator aus Texas, am Wahlabend. Sein Parteikollege Paul Lindsay schlug die Kerbe noch tiefer in die Wunde: "Wenn es den Demokraten nicht einmal gelingt, im blauesten aller blauen Staaten ihr Anliegen durchzusetzen, dann schaffen sie es nirgends", sagte er.

Doch so einig, wie die Republikaner jetzt in ihrer Freude über den Wahlsieg in Massachusetts zu sein scheinen, ist die Partei längst nicht mehr. Seit der Niederlage ihres Kandidaten John McCain im Präsidentschaftswahlkampf verschleißt sich die Partei in Richtungs- und Führungskämpfen. Die acht Jahre von George W. Bush, die beiden Kriege in Irak und Afghanistan und das Staatsdefizit von 482 Milliarden US-Dollar, die der scheidende Präsident den USA hinterließ, sorgten auch in seiner eigenen Partei für Verunsicherung.

Der tiefste parteiinterne Graben bei den Republikanern verläuft zwischen Traditionalisten und Reformern. Die einen verteidigen "traditionelle Werte", sind militant gegen das Recht auf Abtreibung, gegen die Homoehe, gegen einen "starken Staat", gegen Steuern und für eine restriktive Einwanderungspolitik. Die anderen sind für ökologische und soziale Fragen aufgeschlossen, pflegen angesichts des drohenden "demografischen Lochs" einen pragmatischen Umgang mit der Einwanderung und haben - freilich nur auf Bundesstaatenebene - ähnliche Vorstellungen über eine Gesundheitsreform wie Obama.

Die Symbolfigur der Traditionalisten ist Sarah Palin. Ihr Buch ist ein Bestseller, und seit einigen Tagen hat sie eine eigene politische Fernsehsendung auf Fox-News. Doch die Reformer in der eigenen Partei rümpfen die Nase über sie. Republikanische Wahlniederlage und interne Spaltungen haben dafür gesorgt, dass sich die Opposition in Obamas erstem Amtsjahr auf No-Sagen konzentrierte. Entweder im Kongress, wo die Republikaner versuchten, durch "Filibuster"-Manöver jede politische Initiative zu verhindern. Oder auf der Straße, wo Gruppen vom rechten Rand, die offiziell unabhängig von der Partei sind, teilweise große Demonstrationen organisierten. Dabei entstand eine neue radikal rechte Graswurzelbewegung im Land: die "Tea Parties", die unter Berufung auf die Werte der Gründerväter von einer neuen Revolution sprechen. Scott Brown, der neue republikanische Held aus Massachusetts, verkörpert beide Seiten seiner Partei. Er lehnt Abtreibungen nicht prinzipiell ab und hat in seinem Bundesstaat mit der demokratischen Mehrheit eine weitgehende Gesundheitsreform angenommen. In Washington, D. C. aber will er dagegen stimmen. Und will den starken Staat stoppen. DOROTHEA HAHN

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10 Kommentare

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  • MM
    Maria Meiser

    Es ist schon erstaunlich, dass viele Amerikaner nur ein kurzeitgedaechtnis haben.

    Man kann beinahe sagen, ihnen ist tatsächlich nicht mehr zu helfen. Was wollen sie eigentlich? Warum lassen sie Obama keine Zeit? Als ob man das gegen die Wand gefahrene Land, von heute auf morgen wieder aufrichten. Behreifen sie denn gar nichts?

  • T
    Thomas

    Der US-Staat Massachusetts hat eine Pflichtkrankenversicherung und insoweit ist auch von dem neuen Senator Scott Brown kein Widerstand zu erwarten.

     

    Vielmehr ist Sozialismus in den USA nicht wohl gelitten und leider ist das in der BRD nicht ebenso.

     

    So etwas wie Kassenärztliche Vereinigung, Arztbesuch ohne Rechnung und "Wegkauf" einer Positivliste ist nur in der sozialistischen BRD möglich.

     

    Und genau darum geht. Ich habe auf C-Span die Diskussion um die Pflichtversicherung verfolgt, leider sollte auch dort ohne Offenlegung des Gesetzeswerkes abgestimmt werden.

     

    Das ist mit normalen US- Amerikaner nicht zu machen.

     

    Trotzdem wird Obama seine sachliche offene Art beibehalten und damit über seine Amtszeit hinaus hoffentlich Maßstäbe setzen.

  • G
    grifter

    Der beginnende Zerfall der Mehrheit für die Obamaregie-

    rung ist die erste wirklich gute Nachricht des neuen

    Jahres. Das macht Hoffnung für die Wahlen im November.

  • JB
    Joachim Bovier

    Für Präsident Obama ist das Ergebnis von Massachusetts ein klares Signal, dass Amerikas Wähler seine sozialistische Politik der staatlichen Bevormundung nicht wollen. Noch ist Zeit zur Umkehr, zu Mässigung und zum Zurück zu den traditionellen Werten des American Way der Freiheit. Setzt er hingegen seinen bisherigen staatsdirigistischen Kurs fort, so werden ihm die Wähler in Scharen davonlaufen. Insofern ist für seine Situation eine Beschreibung Winston Churchills sehr treffend: „Dies ist noch nicht das Ende, es ist möglicherweise noch nicht einmal der Anfang vom Ende, aber es ist gewiss das Ende vom Anfang.“

  • KS
    Kathrin Schroeder

    Nach diesem Artikel frage ich mich wirklich, was schlimmer ist: Politikverdrossenheit oder die Verbortheit, mit der Menschen ideologische Tea Parties organisieren und mit Dauerreden politische Debatten verhindern. Mit einem "entweder wir oder keiner" lässt sich eigentlich kein Land regieren, aber offenbar Wahlen gewinnen. Traurig! Gibt es zu wenige Menschen im Politikzirkus der USA, denen klar ist, was ihre eigentliche Aufgabe als gewählte Repräsentant/innen sind? Irritierender Eindruck...

  • F
    Fred

    Ich kann Obama langsam nicht mehr sehen, seit fast zwei Jahren bombadieren uns die Medien mit Jubel- und Treuemeldungen über Obama. Ach was waren die Medien unter Bush noch ausgewogen, mittlerweile ob links oder rechts wird bei Obama aber auch alles relativiert, selbst wenn Obama Befehl zum Töten per Drohnen gibt. Aber offensichtlich haben die Deutschen wie damals 1933 wieder ihr Führergen ausgegraben, bis zum bitteren Ende wird gelobhudelt und relativiert. Der Wahnsinn ist auch noch, dass Obama das zulässt und sich nach aussen unschuldig und falschverstanden gibt!

    Dieser Obama wird mir zunehmends unsymphathischer!

  • H
    Herbert

    Welches sind denn die anderen beiden Siege, die in den 2 Teaser-Zeilen erwähnt werden? Ganz schön irreführend, wenn darauf im Text überhaupt gar kein Bezug mehr genommen wird...

  • LV
    Lorenzo von Matterhorn

    Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann? Die Amis.

     

    Die ach so patriotischen Amis verkennen ihren größten Fürsprecher. Endlich haben sie einen Präsidenten, der sein Land liebt und es nach vorne bringen möchte, doch zu viele stören sich seiner Hautfarbe - traurig.

  • DW
    Der Wahrheit

    Die Überschrift ist schlicht falsch. Die Demokraten haben die Mehrheit NICHT verloren. Sie haben immer noch 9 Sitze mehr als die Opposition.

     

    Nicht soviel von den anderen abschreiben, sondern selber recharchieren. Auch wenns die Zeiten vielleicht nicht zulassen.

  • S
    Stephan

    Nach der Überschrift weiß man ja schon, dass der Artikel nur Mist sein kann. Oder sehe ich das falsch? Bitte einmal Fakten checken - vor der wahl 20 Stimmen Mehrheit, nach der Wahl 18. Alles andere als Verlust der Mehrheit. Man kann es den Lesern doch wohl zumuten, den Unterschied zwischen "Mehrheit verlieren" und "Republikaner haben jetzt wieder eine Sperrminorität" zu verstehen.