US-Ökonom Robert J. Shiller: Nobelpreis für Dr. Untergang
Der Yale-Professor Robert J. Shiller erhält den Nobelpreis für Wirtschaft. Eine Ehrung für den Visionär, der die Finanzkrise vorhergesagt hatte.
Die Wall Street kennt ihn als „Dr. Doom“, Dr. Untergang: Kaum ein anderer Ökonom hat das Platzen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende und den Einbruch auf den Immobilien- und Finanzmärkten ab 2007 so lange und so präzise vorhergesagt wie der heute 67-jährige Yale-Professor und Bestsellerautor Robert J. Shiller. Dafür bekommt er nun den Nobelpreis für Wirtschaft.
Die Leistung des aus Detroit stammenden Vaters zweier Söhne besteht vor allem darin, das Verhalten von Finanzmärkten verständlicher gemacht zu haben. Er nutzte auch Erkenntnisse aus der Soziologie, der Politologie und der Psychologie. Das Ergebnis führte die bis dahin vorherrschende Meinung ad absurdum, dass Märkte rational und effizient seien.
Anders als diese konnte Shiller erklären, warum Märkte instabil sind: Investoren lassen sich mehr von Euphorie und Panik treiben als von rationalen Erwartungen und verfallen dabei schnell dem Herdentrieb. Boomphasen entstehen beispielsweise besonders häufig, wenn sich neue Basiserfindungen durchsetzen – wie die Informationstechnologien. Die IT-Begeisterung führte Ende der 1990er Jahre zu einer Überbewertung von Dotcom-Firmen, vor der Shiller im Buch „Irrationaler Überschwang“ vergebens warnte.
Später zeigte der von ihm mitentwickelte Case-Shiller-Index lange vor der Lehman-Pleite, wie die US-Immobilienpreise immer rasanter kletterten, und wertete das als Spekulationsblase. Trotzdem versuchten alle panisch, ihre faulen Kredite noch schnell weiterzuverkaufen und heizten so die Dynamik weiter an.
Mehr Demokratie als Lösung
Als Lösung für die andauernde Finanzkrise setzt Shiller auf mehr Demokratie und Transparenz sowie eine bessere Absicherung von Risiken.
„Ich konnte es einfach nicht glauben“, sagte Shiller nach dem Anruf aus Stockholm. Das lässt sich doppelt deuten – zeigte sich das Nobelpreiskomitee doch maximal pluralistisch: Shiller muss sich den Preis teilen. Nicht nur mit dem Methodiker Lars Peter Hansen, sondern auch mit Eugene F. Fama.
Der Chicagoer Professor ist ein Verfechter der Markteffizienztheorie – also genau der Idee von den rationalen Finanzmärkten, die Shiller explizit für falsch erklärt hat. „Das Komitee erweist der Wissenschaft hier einen ganz schlechten Dienst“, sagt der Bremer Ökonom Rudolf Hickel. „Es ehrt nicht zwei Strömungen, sondern zwei völlig unvereinbare Kontrahenten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour