piwik no script img

US-ImmobilienkriseDie Einschläge kommen näher

Die Deutsche Bankenbranche startet eine gemeinsame Rettungsaktion für die IKB-Bank. Anleger werden misstrauisch über die Risiken anderer Banken.

Sie war der erste Wackelkandidat: die IKB Deutsche Kreditbank. Bild: dpa

Erst riss die US-Immobilienkrise die IKB Deutsche Industriebank mit in die Krise - jetzt werden Fragen nach der Stabilität anderer deutscher Banken laut. Die IKB hatte sich mit amerikanischen Hypotheken verspekuliert, wie am Montag bekannt wurde. Die Regierung sorgte umgehend für eine Bürgschaft in Höhe von acht Milliarden Euro durch die bundeseigene KfW-Bank, die 38 Prozent an der IKB hält, um ein Übergreifen der Krise auf den restlichen Finanzsektor zu verhindern.

Offenbar hatten andere Banken der IKB Kreditlinien eingeräumt und wären im Fall eines Kollapses der Bank ebenfalls betroffen. Doch damit scheint der Fall nicht erledigt zu sein. Auf 3,5 Milliarden Euro wird das tatsächliche Ausfallrisiko geschätzt und auf 17,5 Milliarden Euro das gesamte US-Engagement der IKB. Inzwischen sieht sich die gesamte deutsche Bankenbranche genötigt, sich an der Rettungsaktion zu beteiligen. Gestern teilten auch die öffentlichen Landesbanken und Sparkassen mit, dass sie dabei sein werden. "Wir haben großes Interesse an der Stabilität des deutschen Finanzplatzes", erklärte ein Verbandssprecher. Die KfW-Spitze trat unterdessen zu einer Sondersitzung zusammen.

Erst waren es ja nur US-Hypothekenfinanzierer gewesen, die trotz geringer Sicherheiten hohe Immobiliendarlehen an wenig kreditwürdige Kunden vergeben hatten und damit pleite gingen. Vorgestern erwischte es mit American Home Mortgage eine Hypothekenbank, die auf Kunden mit höherer Kreditwürdigkeit spezialisiert war. Die Hypotheken waren wiederum von Hedgefonds aufgekauft worden, die damit spekulierten - und ebenfalls auf die Nase fielen. Inzwischen musste die US-Investmentbank Bear Stearns einen dritten von ihr betriebenen Hedgefonds dichtmachen.

Als nächstes kamen Meldungen aus Australien über ins Trudeln geratene Fonds. Und jetzt Deutschland. Der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Jochen Sanio, habe sogar vor der größten Bankenkrise seit 1931 gewarnt, zitiert die Financial Times Deutschland einen Insider - einer Krise also, die den Zusammenbruch der Herstatt-Bank 1974 und die anschließende Erschütterung des deutschen Bankensystems in den Schatten stellen könnte.

Noch gibt es keine konkreten Anzeichen dafür, dass andere Banken betroffen sein könnten. Und die KfW-Bürgschaft für die IKB nimmt sich bescheiden aus im Vergleich zu den fast 22 Milliarden Euro, mit denen das Land Berlin im Jahr 2002 der Berliner Bankgesellschaft beistehen musste. Dennoch rumort es. Die Deutsche Bank etwa präsentierte gerade einen Rekordgewinn. Trotzdem knickte der Kurs ihrer Aktie ein. Die Anleger sind misstrauisch, weil sich die Bank bei der Bilanzvorstellung über ihre Risiken am Kreditmarkt sehr bedeckt hielt. Auch in den USA werden Fragen laut, ob die Banken nicht vielleicht hohe Risiken irgendwo außerhalb ihrer Bilanzen versteckt halten - beispielsweise in so genannten Finanzierungsvehikeln, die offiziell als getrennte Firmen geführt werden.

Die Zeit der großzügigen Kreditvergabe durch die Banken dürfte jedenfalls erst mal vorbei sein. Bisher konnten die Banken die vergebenen Kredite einfach in Wertpapiere umwandeln - Verbriefung nennt man das im Fachjargon - und diese dann an irgendwelche Fonds oder an andere Investmentbanken weiterverkaufen. Weil damit auch die Kreditrisiken aus den Büchern der Banken verschwanden, verzichteten sie auf die sonst üblichen hohen Risikoaufschläge. Selbst für gewagte Deals waren deshalb Kredite billig zu bekommen. Doch auf einmal will niemand mehr die verbrieften Kredite haben. Denn die zahlreichen Krisen der vergangenen Wochen, wie zuletzt bei der IKB, haben deutlich gemacht, dass damit durchaus hohe Ausfallrisiken verbunden sind. Wenn die Banken die Schuldscheine aber nicht mehr weiterreichen können, dann werden sie sich künftig gut überlegen, an wen sie überhaupt noch Kredite vergeben. Schwieriger wird es auch, dass Unternehmen hoch verzinste - und hoch riskante - Anleihen auf dem Kapitalmarkt aufnehmen, um so Übernahmen zu finanzieren. Urplötzlich ist die Geldschwemme abgeebbt, die den Übernahmeboom erst möglich machte.

Private-Equity-Fonds - Heuschrecken, die mit scheinbar unstillbarem Appetit Unternehmen mit Hilfe geliehenen Geldes geschluckt hatten - sind die ersten, deren Geschäftsmodell nun in Frage steht. Drastischstes Beispiel: Der US-Finanzinvestor Cerberus bekommt offenbar nicht das nötige Geld zusammen, um die Übernahme des Automobilherstellers Chrysler zu stemmen. Selbst bei älteren Deals stellt sich auf einmal heraus, dass sie noch nicht in Sack und Tüten sind, wie beispielsweise die schon vor einem halben Jahr angekündigte Übernahme des texanischen Energiekonzerns TXU durch drei Private-Equity-Fonds für sagenhafte 44 Milliarden Dollar. Weil die Banken, die die Finanzierung zugesagt hatten, die Kredite nicht weiterreichen konnten, haben sie bislang die Kredite nicht ausgezahlt.

Und weil der Übernahmeboom auf Pump nun ins Stocken gekommen ist, geht auch dem Börsenboom die Luft aus. Der Deutsche Aktienindex (DAX) hatte am Mittwoch erneut 1,5 Prozent verloren. Aber die Krise könnte auch noch andere Nebenwirkungen haben: Im ZDF warnte der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Gerke, dass deutsche Häuslebauer künftig mit höheren Hypothekenzinsen rechnen müssten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!