US-Einsatz in Afghanistan: Abzug der Soldaten beginnt

Präsident Obama will bis Sommer 2012 sollen 33.000 Soldaten aus Afghanistan abziehen – ein Kompromiss aus Kriegsmüdigkeit und Wünschen der Militärs

Bald geht's heim: US-Soldaten in der afghanischen Provinz Kandahar. Bild: reuters

WASHINGTON taz | In einer dreizehnminütigen Fernsehansprache zu Afghanistan hat US-Präsident Barack Obama am Mittwochabend Auswege aus dem längsten Krieg der US-Geschichte vorgeschlagen. Es war eine lang angekündigte Rede, an die sich hohe Erwartungen richteten. In den letzten Wochen war im Repräsentantenhaus die Zahl der KriegsgegnerInnen und BefürworterInnen eines schnellen Abzugs auf mehr als 200 gestiegen.

Als zentrale Argumente führen sie zwei grundverschiedene Argumente an: dass Osama bin Laden tot ist. Und dass der Krieg die hoch verschuldeten USA allwöchentlich zwei Milliarden Dollar kostet. Gleichzeitig warnten zwei mächtige Männer, die sich um das Militärische kümmern - der Noch-Verteidigungsminister Robert Gates und der Noch-Oberbefehlshaber in Afghanistan, David Petraeus -, in Afghanistan dürfe nichts überstürzt werden. Noch sei die massive US-Präsenz dort nötig.

Präsident Obama versucht, es allen recht zu machen. Er kündigte an, dass er noch in diesem Jahr 10.000 SoldatInnen abziehen wird. Und dass ihnen bis zum Sommer 2012 weitere 23.000 folgen sollen. Damit wären jene 33.000 Soldaten, die im Rahmen des "Surge", der Truppenaufstockung, im vergangenen Jahr zusätzlich nach Afghanistan geschickt worden waren, wieder aus dem Land. Im November 2012, wenn in den USA Präsidentschaftswahlen stattfinden, werden immer noch 70.000 US-SoldatInnen in Afghanistan sein. Fast doppelt so viele wie zu dem Zeitpunkt, als Obama sein Amt antrat.

Für Obamas AnhängerInnen auf der Linken, und für jene RepublikanerInnen, die einen radikalen Abzug verlangen, ist das ein enttäuschendes Ergebnis einer lang erwarteten Rede. Auch die statistische Mehrheit der US-AmerikanerInnen dürfte damit unzufrieden sein. Nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Pew-Institutes wollen 56 Prozent der US-BürgerInnen so schnell wie möglich raus aus Afghanistan.

Präsident Obama versucht, diese Kriegsmüdigkeit, die sich paart mit Sparwillen und der Idee, dass die USA nichts auf den fernen Kriegsschauplätzen verloren hätten und sich besser um die kritische wirtschaftliche Lage zuhause kümmern sollten, in seiner Rede aufzunehmen. Er spricht von einem "Jahrzehnt von Krieg". Erinnert an die 4.500 toten US-Soldaten im Irak und die mehr als 1.500 gefallenen US-Soldaten in Afghanistan, an die Verstümmelten und jene vielen in Kriegsfolge psychisch Erkrankten, "die mit Dämonen zurückgekommen sind".

Aber Obama argumentiert weder wie jene, die er "isolationistisch" nennt, noch wie jene, von denen er sagt, dass sie sich "übernehmen" wollen. Die Devise des Oberbefehlshabers lautet: "Pragmatismus" und "Strategie".

Aktuelles Beispiel für diese pragmatische und strategische Obama-Linie ist der Krieg in Libyen. Am Mittwochabend verwies der US-Präsident erneut darauf, dass kein US-Soldat am Boden des nordafrikanischen Landes sei. Diese Arbeitsteilung mit seinen militärischen Verbündeten will er auch für das Ende des Afghanistankrieges praktizieren. Im Mai kommenden Jahres will er dazu - auch das kündigte er am Mittwoch in seiner Ansprache an - einen Nato-Gipfel in seiner Heimatstadt Chicago abhalten. Dabei will der US-Präsident mit den Alliierten über die "großen Herausforderungen" reden, die weiterhin in Afghanistan bleiben: Das Kriegsende und die Rückgabe des Landes in afghanische Hände. Einen Hinweis darauf, wohin Afghanistan nach zehn Jahren Krieg politisch gehen wird, macht Obama ebenfalls. Er spricht von der Notwendigkeit von Verhandlungen mit allen Parteien - "inklusive den Taliban".

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