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US-Diplomaten über Bundesregierung"Aggressive Klimapolitik"

US-Diplomaten beschreiben Bundeskanzlerin Angela Merkel als überzeugte Klimaschützerin. In internen Dokumenten befürchten sie öffentliche Konflikte mit ihr.

"Überwältigende Unterstützung" für ambitionierte Umweltpolitik? Bundeskanzlerin Angela Merkel. Bild: reuters

Man weiß nicht, ob es ein Lob oder eine Beleidigung für die deutsche Regierung ist: US-Diplomaten sprechen von einer "aggressiven Klimapolitik" Deutschlands. In einem Bericht der US-Botschaft aus dem Jahr 2008 heißt es: "Kanzlerin Merkel und die restliche politische Führung Deutschlands verfolgen weiterhin ernsthaft aggressive internationale Maßnahmen gegen die Erderwärmung."

Der als "geheim" eingestufte Bericht aus der Berliner Botschaft wurde kürzlich von der Internet-Plattform Wikileaks veröffentlicht. Vergangenen Sonntag hatte die Gruppe begonnen, tausende Dokumente einzustellen, täglich kommen neue hinzu. Die taz hat die bislang verfügbaren Daten auf Aussagen zur Klimapolitik durchsucht. Danach zu urteilen, sehen die USA vor allem in Deutschland und Frankreich die Zugpferde der internationalen Klimagespräche.

Merkel genieße in Deutschland "überwältigende Unterstützung" für ihre ambitionierte Politik, heißt es in dem Text aus Zeiten der großen Koalition. Die Absicht der CDU-Politikerin, weltweite Emissionsminderungsziele verbindlich festzuschreiben, spiegele den "tiefsitzenden Glauben" wider, "dass nur drastische, gemeinsame Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft den menschlichen Beitrag zur globalen Erwärmung verlangsamen - und letztlich umkehren - können".

Noch immer bestünden "fundamentale Unterschiede in unseren Ansätzen", den Klimawandel zu stoppen. Die USA setzen nämlich stärker auf freiwillige Maßnahmen einzelner Staaten. In Zukunft könne das zu mehr öffentlichen Meinungsverschiedenheiten führen, prognostizieren die US-Diplomaten.

Rund anderthalb Jahre später sind die Töne aber versöhnlicher geworden. Kurz vor dem Klimagipfel in Kopenhagen heißt es in einem weiteren Bericht: "Deutschlands Spitzenpolitiker erkennen die Schwierigkeiten, Klimagesetzgebung in den USA durchzusetzen." Deswegen hätten sie ihre "Erwartungen an die Möglichkeit eines verbindlichen Abkommens in Kopenhagen" heruntergeschraubt.

Als konkreter Streitpunkt zwischen Deutschland und den USA wird die von Washington befürwortete Gründung des Major Economies Forum (MEF) genannt, bei dem sich Industrie- und Schwellenländer treffen, um über Energie- und Klimapolitik zu diskutieren - ohne den Rest der Welt. In dem Papier von 2008 steht, die deutsche Regierung bleibe "skeptisch", weil sie zusätzlichen Aufwand befürchte.

Schließlich gebe es schon die Vereinten Nationen und die Gruppe der acht führenden Industrieländer (G 8). Frankreich schneidet bei dem Thema aus US-Sicht besser ab: Zu Beginn habe Paris "eine Mischung aus Skepsis und Interesse" gezeigt, inzwischen seien die Franzosen "voll dabei", heißt es im Mai 2008. Ein knappes Jahr später wurde das MEF offiziell gegründet.

Schon zuvor hatten sich die Vereinigten Staaten selbst als Vorreiter des internationalen Klimaschutzes gesehen: 2007 schrieb die US-Botschaft in Paris, man habe Präsident Nicolas Sarkozy und hochrangigen Beamten klargemacht, "dass die USA im Kampf gegen den Klimawandel geführt haben und weiterhin führen werden".

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13 Kommentare

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  • M
    MaPfaff

    @dawee

    Genial daneben! Wie wär's denn, den Artikel nochmal langsamer und gründlich zu lesen? 'Die Studie stellt keinen kausalen Zusammenhang her'. Klar, das tun Studien zu Pisa auch nicht.

    Da steht nicht: Die Studie schließt einen kausalen Zusammenhang aus, oder konstatiert, es gäbe keinen.

     

    Wie blöd muss man dennsein, wenn man die wissenschaftlichen Expertisen seit dem Club of Rome derart in den Wind schlägt? Oder soll das hier eine Nebelbombe sein.

     

    Ich bitte um die Adresse und Kontonummer, damit ich 1000 Euro überweisen kann (Wette) und erwarte den doppelten Betrag in 10 Jahren zurück. Bis dahin wird die globale Erwärmung auch ohne Polkappen um ein Grad zugenommen haben. Denn die aktuelle Politik versagt klimatechnisch so sehr, dass wir das 2K-Ziel massiv verpassen werden. Und die Leute schauen zu, zumindest sind auf einer gestrigen Klima-Demo in Stuttgart nur ein paar hundert weltbewegte Hansel gewesen, und in den nachrichten kam gar nix.

  • D
    daweed

    @Stefan Thiesen

    Merkel wird die Klimaproblematik sehr wohl verstehen - im Gegensatz zu fast allen anderen Politikern. Sie ist und bleibt Physikerin.

     

    ja, aber dann erklär doch mal was CO2 mit Klimaerwärmung zu tun hat.

     

    http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2010-11/CO2-Erderwaermung-Eozaen

     

    ich finde nämlich nix.

    Das Klima der Erde hat sich schon immer verändert und wird es auch weiterhin. Und um einen obendrauf zu setzen würde ich sogar wetten, dass die nächsten 20 Jahre nicht wärmer sondern kälter werden als die letzten 5!

  • HS
    Holz statt Kohle

    Die USA haben keine starke industrielle Basis mehr - die Jahrzehnte des Shareholder Value haben die technologische Wettbewerbsfähigkeit im zivilen Bereich arg mitgenommen. Zweitens haben die USA die international stärkste Machtposition im Ölgeschäft. Aus Schwäche wie China auch auf alternativlose Energierzeugung zu setzen war und ist für sie mit einem Machtverlust verbunden. Das gilt mit Sicherheit auch für die Weltfinanzmärkte, denen die USA ihr albernes System überstülpen, wobei es willfährige Nachahmer allerorten gibt.

    Deutschland kann aufgrund seiner noch bestehenden starken Industrie, Shareholderunkultur und ein nicht zukunftsfähiger Wohlfahrtsstaat, der zunehmend liberalisiert wird und nicht auf Einwanderer wie in den USA bauen kann,lassen allerdings grüssen, aussenpolitisch Institutionen fordern, die seine MAchtposition stärken. Sowas kennt man aus der EU - Standards werden von großen Unternehmen und Verbänden zur Monopolbildung gegen Konkurrenten und kleine Betriebe der in Wirklichkeit sehr kleinen brüsseler Bürokratie vorgeschlagen.

    Dass die USA anscheinend den Klima und damit Selbstschutz nicht sehr ernst nehmen, obwohl das Problem immerhin verstanden zu werden scheint, ist interessant.

  • JV
    Jenseits von Böse

    Zur besseren Beurteilung der Diplomatenpost wäre es hilfreich, eine grobe Einordnung in Bush-Ära und danach vorzunehmen. Einiges - wie die Darstellung Merkels als engagierte Klimaschützerin - klingt für mich sehr plausibel, wenn's von den durchgeknallten Bush-Kriegern stammt.

  • T
    thunder

    Die Frau ist Deutsche , liebe Amis. Wenn die eine Ideologie oder Religion für sich entdeckt haben, dann gehen in Europa und anderswo nicht nur die Sparlampen aus.

  • H
    Holländer

    So lange nicht dazu geschrieben wurde, dass Merkel den Botschafter geohrfeigt hat, sollte "aggressive" in der Politik eher übersetzt werden mit offensiv, energisch oder dynamisch und nicht mit aggressiv.

  • L
    Luftanhalter

    Au weh. Die deutsche Bundesregierung als treibende Kraft. Jungs, sorry, aber ich geh schon mal vor.

  • ST
    Stefan Thiesen

    Frau Merkel wird die Klimaproblematik sehr wohl verstehen - im Gegensatz zu fast allen anderen Politikern. Sie ist und bleibt Physikerin. Allerdings ist die vereinte Front der Welt Energie-, Transport- und Industrieoligarchen dermaßen unvorstellbar mächtig, daß auch eine Kanzlerin von Deutschland sich hier nicht durchsetzen kann. In der großen Koalition hat sie ja in mancher Hinsicht noch beinahe grün anmutende Politik gemacht. Wer sich jemals persönlich in den Kreisen der vernetzten Industriemagnaten bewegt hat weiß, daß dort betonharte Interessenpolitik gemacht wird. Eingelenkt wird nur, wenn es dem Interesse "Der Wirtschaft" dient (aka "des Kartells"). Und ohne die Wirtschaft und ihre offiziellen und inoffiziellen Verbände bewegt sich weltweit gar nichts mehr. Auch Obama konnte daran bekanntlich nichts ändern.

  • F
    Fredo

    Liebe Taz, kannst Du uns bitte den Link auf die Quelle geben? Ist doch schön, wenn nicht jeder von uns erneut alle 200+tausend Depeschen durchsuchen muss, wenn er sich ein Bild machen will.

    Stets,

    fredo

  • B
    Baumtod

    Was soll man dazu sagen. Man kann nur was tun, also habe ich eine halbe Stunde drüber gelacht, über "unsere" Angela und die Weltherrscher.

  • KF
    Öko Fritz

    Wer Laufzeiten maroder unsicherer Atomkraftwerke vrlängert, beschützt weder sein Volk noch ist Klimaschützer!

     

    Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteut weltweit!

    Kriege dienen der Sicherung von Mcht und Ressourcen.

    Also derzeit Öl!

     

    Es geht immer wieder um das Theam Energie!

     

    Wer alternative Energien aushebelt, ist kein Klimaschützer!

     

    Siehe Wasserkraft: http://www.swr.de/report/-/id=233454/nid=233454/did=6770834/1uxeb5l/index.html

  • G
    GonZoo

    Bisher hatte ich den Eindruck gehabt, daß die US-Diplomaten in ihren Einschätzungen ziemlich richtig lagen:

     

    Westerwelle ist eitel, unfähig und aggressiv, okay.

    Merkel ist teflonbeschichtet, interessiert sich nur für ihren Machterhalt, "meidet das Risiko, ist selten kreativ" - wissen wir doch.

    Dirk Niebel ist eine "schräge Wahl", logo, sogar ohne die dämliche Mütze.

    Horst Seehofer ist "unberechenbar - mit begrenztem Horizont, außenpolitisch weitgehend ahnungslos", aber hallo, auch wenn aus bayerischer Sicht das Ausland schon an den Grenzen des Freistaats beginnt.

     

    Auch die Einschätzung Russlands als durchgängig korrupt würde ich nicht abwegig nennen, Sarkozy als „Kaiser ohne Kleider“ kennt nicht nur Carla Bruni.

     

    Aber Merkel als überzeugte Klimaschützerin zu sehen, das ist nun wirklich absurd, wenn man ihre Taten sieht. Hat sich ein US-Diplomat etwa nur ihre Weihnachtsansprache angehört?

  • P
    Peter

    Ich persönlich glaube, die EX-Klimakanzlerin wollte die Deutschen in eine Falle locken. Indem sie das Thema Umweltschutz auf den Klimaschutz reduzierte, oder zumindest fokusierte - als das Thema noch Thema war- versuchte sie Deutschland eigentlich nur davon zu überzeugen, dass Atomkraft als Übergangslösung notwenig sei. Lasst euch nicht linken!

    Ob unser CO2-Ausstoß die Temperatur steigen lässt oder nicht, ist im Grunde sekundär. Fakt ist, dass wir auf allen Ebenen besser mit der Umwelt umgehen müssen und vor allem nachhaltiger. Und wenn wir die Reduktion vom CO2 nicht mit dem Klimawandel begründen, dann auf jeden Fall mit dem Argument, dass Mensch und Natur auf saubere Luft angewiesen sind. Punkt!