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US-Demokraten nach Vorwahl in NevadaBlick in die Zukunft

Rieke Havertz
Kommentar von Rieke Havertz

Nevada symbolisiert das zukünftige Amerika. Kaum ein Staat ist diverser. Der Vorwahlsieg in diesem Bundesstaat lässt Hillary Clinton hoffen.

So sehen Siegerinnen aus: Hillary Clinton wird von einer Unterstützerin zu einem Selfie aufgefordert. Foto: ap

D urchatmen. Hillary Clinton kann nach ihrem Sieg beim Caucus am Samstag in Nevada erst einmal durchatmen. Ihre Kämpferqualitäten haben sie wieder zurückgebracht in diesen Vorwahlkampf, den Bernie Sanders zuletzt mit seinem deutlichen Sieg in New Hampshire dominiert hatte.

Es schien, als habe Sanders all das auf seiner Seite, was einen Unterschied machen könnte: eine Grasswurzelbewegung, die die Menschen zum Wählen motiviert, einen Neuigkeitsfaktor trotz seiner 74 Jahre, den die Establishmentfrau Clinton seit 20 Jahren nicht mehr hat, dazu konsequent linke Ideen und das, was sie in den USA „momentum“ nennen: diesen Moment, in dem alles passt und der einen Kandidaten weit tragen kann. Entsprechende Medienberichterstattung eingeschlossen, der den Hype noch einmal intensiviert.

Jetzt ist es nicht so, dass Clinton mit ihrem nicht gerade massiven Vorsprung von fünf Prozentpunkten Sanders all das nimmt. Aber Clinton hat gezeigt, dass sie noch gewinnen kann und in diesem Sieg in einem nicht rein weißen Bundesstaat eine Wählerklientel vereint, die sie auch im Rennen um das Weiße Haus gegen einen republikanischen Gegner weit tragen könnte.

Kein Ort in diesem an Oberflächlichkeiten so reichen Land ist künstlicher als Las Vegas. Mitten in der Wüste für Spieler und Partysüchtige aus dem Boden gestampft, garantiert die Stadt Entertainment rund um die Uhr, in den Casinos erlischt das künstliche Licht der Slotmaschinen niemals.

Tatsächlich aber symbolisiert kaum ein Bundesstaat das Amerika der Zukunft wie Nevada – und Dreiviertel seiner Bürger lebt in der 2-Millionen-Einwohner-Metropole Vegas. Demographisch und ökonomisch ist Nevada das, was Amerika einmal sein wird. Kaum ein Staat ist diverser, Latinos machen weit über ein Viertel der Bevölkerung aus, knapp zehn Prozent sind Afro-Amerikaner und etwas mehr als acht Prozent Amerikaner mit asiatischen Wurzeln.

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Clinton schneidet bei der Wahl in Nevada besonders bei Afro-Amerikanern gut ab, dort lässt sie Sanders keine Chance. Das lässt sie bei der nächsten Vorwahl in South Carolina am kommenden Samstag auf einen weiteren Sieg hoffen.

Überraschend ist wiederum, dass Clinton Sanders nicht auch bei den Amerikanern mit hispanischen Wurzeln mit weitem Abstand hinter sich lässt. Eine Wählergruppe, die Clinton stets sicher für sich verbucht hatte. Sie hat dort viele Fans, aber Sanders hat an Unterstützung zugelegt. Vorwahlbefragungen legten sogar nahe, dass Sanders die Mehrheit der hispanischen Stimmen gewinnen würde.

Das Kampagnenteam von Clinton zweifelt diese Zahlen an. Ihr Pressereferent sprach diesbezüglich von „völligem Bullshit“. Dennoch werden die Vorwahlbefragungen Sanders optimistisch stimmen – und Clinton eben nicht besonders lange durchatmen lassen.

Unschöne Erinnerungen

Die 68-Jährige wird sich erneut einem langen, aggressiven Vorwahlkampf stellen müssen. Als sie vor acht Jahren gegen Barack Obama antrat gewann sie nach einer Niederlage in Iowa zunächst die Vorwahl in New Hampshire, um anschließend in Nevada erneut zu verlieren.

Im eigentlichen Präsidentschaftswahlkampf 2008 gewann Obama den wichtigen „swing state“, der historisch mal den Demokraten und mal den Republikanern zufällt, deutlich gegen Mitt Romney. Auch, weil die Demokraten viele Wähler mobilisierten, was im Vergleich zu den Konservativen immer ein Vorteil ist.

Unschöne Erinnerungen für Clinton, die ihr jetzt aber helfen könnten, denn sie zeigen, warum Nevada strategisch wichtig für sie ist. Sie hat dort Unterstützer und die Republikaner, die am Dienstag in Nevada abstimmen, werden laut Prognosen nicht viele Massen zur Abstimmung bewegen, was im November für Clinton sprechen würde, sollte sie die Kandidatin werden. Zahlenspielereien, die momentan sehr weit weg erscheinen. Für eine strategische Kampagnenplanung, die das Weiße Haus als eigentliches Ziel hat, aber ungeheuer wichtig.

Sanders hingegen spielt die Bedeutung seiner Niederlage in Nevada herunter und schaut auch nicht groß auf South Carolina, wo er sich nicht hohe Chancen ausrechnet. Er blickt vielmehr auf den „Super Tuesday“. Am 1. März stimmen elf Bundesstaaten ab, danach könnte sich herauskristallisieren, wer sowohl bei den Demokraten als auch den Republikanern das Rennen macht.

Sanders wird seinen Wahlkampf weiter auf seine starke Basis aufbauen: die jungen Wähler. In Nevada votierten sie in großer Mehrheit erneut für den 74-Jährigen. Auch seine Themen wird er absehbar nicht mehr sonderlich verändern, schließlich speist er einen Teil seiner Beliebtheit aus seiner Konsequenz bei den Inhalten, die ihm Glaubwürdigkeit und Authentizität verleihen.

Viele Lösungen für viele Probleme

Probleme, die das Clinton-Lager nach dem Sieg in Nevada immer noch nicht in den Griff bekommt. In ihrer Siegesrede in Nevada setzt Clinton nicht mehr auf das Schlagwort „Progressivität“, mit dem sie noch in New Hampshire versucht hatte, Wähler vom Sanders-Lager wegzulocken.

Vielmehr kritisiert sie Sanders Kampagne indirekt als einseitig. „Unser Land braucht keinen Wahlkampf, der nur ein Thema kennt“, sagt sie. Viele Lösungen für viele Probleme seien gefragt. Und klar, die richtige Kandidatin für diese Lösungen ist natürlich Clinton. Ihr werden noch einige Vorwahlen bleiben, um das unter Beweis zu stellen. Entschieden ist bei den Demokraten lange nichts, Clinton hat lediglich eine kleine Atempause – zum Durchatmen und Luftholen.

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Rieke Havertz
Leiterin taz.de
Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.
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1 Kommentar

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  • Das englische "momentum" bedeutet Impuls und hat mit dem deutschen Moment nur die lateinische Quelle gemeinsam.