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US-BotschaftThe Embassy-Bunker of the United States

Die US-Botschaft am Pariser Platz ist fertig gestellt und wird zurzeit bezogen. Der Bau ist ein simples Beispiel von amerikanischer Sicherheitsarchitektur nach 9/11 geworden. Es finden sich kaum noch Spuren des postmodernen Entwurfs. Lange gab es Streit über den Bau, der am 4. Juli 2008 eröffnet wird.

Die US-Botschaft am Brandenburger Tor Bild: dpa

Im Handbuch für US-Streitkräfte im Ausland findet sich der Hinweis, wie die Truppe ihre Liegenschaften und die Kasernen zu sichern hat, nämlich gut bewacht, umzäunt und wehrhaft. Wüsste man nicht, dass die neue US-Botschaft am Pariser Platz vom Architektenteam um Charles Moore entworfen wurde, der ein Star der Postmoderne war, man käme glatt auf den Gedanken, dass das jetzt fertig gestellte Gebäude jenem US-Handbuch entstammt.

Die Botschaft ist ein schlichtes Haus geworden. Zur Platzseite gleicht sie einem banalen vierstöckigen Sozialbau. Dickes Panzerglas und starke Mauern stehen dem Betrachter gegenüber. Ein kleiner Spalt in der hellen Natursteinfassade gibt den Blick frei in eine Rotunde, die jedoch an einen gefängnisartigen Hinterhof erinnert. Die Sicherheitsarchitektur setzt sich an der Ebertstraße mit einem langen fünfgeschossigen Gebäuderiegel fort, aus dem ein Glasturm und ein leicht verschwenkter Penthousetrakt herauswächst. Entlang der Behrenstraße, in Nachbarschaft des Holocaust-Mahnmals, setzt sich die langweilige Front fort, nur etwas aufgelockert von einem schmalen Vorbau, einer Pergola, Betonpollern und jeder Menge Gitterstäbe.

Am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag der USA, wird das Haus in Anwesenheit des einstigen US-Präsidenten George Bush senior offiziell eingeweiht. Dann kehren die Amerikaner an den Ort zurück, an dem bereits in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts ihre Botschaft stand. Der Altbau wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und später abgerissen.

Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass bei der Feier keine Hymnen auf den Neubau gesungen werden. Schon jetzt, während die 250 Mitarbeiter einziehen, hagelt es Spott über das einstmals ehrgeizigste Architekturprojekt am Brandenburger Tor. "Uninspiriert" und "lieblos", wie eine "Festung", ein "Bunker" oder einfach nur "ganz schlecht" lauten die Attribute in den Feuilletons.

"Der Bau sieht aus, als ob eine Nation vom Weltpolizisten zum Selbstverteidiger geworden ist", urteilt etwa der Architekturkritiker Gerwin Zohlen. Der Botschaft mangle es an Besonderheit und Ausdruckskraft, es fehle jede Öffnung zur Stadt, eine einladende Geste, gute Materialität - und natürlich an Eleganz. Und das am Pariser Platz inmitten von Bauten von Frank Gehry, Günter Behnisch, Christian de Portzamparc, Mike Wilfort, Meinhard von Gerkan oder Josef Paul Kleihues!

Dass der lang gestreckte Klotz zum Ärgernis am Brandenburger Tor avanciert, liegt kaum in der Verantwortung des Architekten. 1996 hatte das Architektenteam Moore, Ruble und Yudell aus dem kalifornischen Santa Monica mit einem postmodernen Entwurf und in weitaus spielerischer Handschrift als heute die Jury beeindruckt.

Das Gebäude sollte - wie jede Botschaft - zwar mit den üblichen strengen baulichen Sicherheitsvorkehrungen bestückt werden. Zum Pariser Platz hin jedoch planten Moore und Co. eine dreigliedrige Fassade. An der Behrenstraße sollten Arkaden und entlang der Ebertstraße eine leichtere, bewegte Architektur aus Aufbauten, Rücksprüngen und unterschiedlichen Baukörpern entstehen. "Die Architektur der US-Botschaft", sagte John Ruble damals, "repräsentiert auch die Offenheit und Gastfreundschaft der Amerikaner." Moore zog gar Parallelen zum amerikanischen Landhaus und dessen identitätsstiftende Symbolik und Ikonografie.

Es sollte anders kommen. Weltpolitik bestimmte, dass Moores Entwurf zur Festung mutierte. Am 7. August 1998 detonierten vor den US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) mehrere Bomben, die über 200 Menschen töteten und 1.100 weitere verletzten. Drahtzieher der Terrorangriffe war der bis dahin weitgehend unbekannte Ussama Bin Laden. Als am 11. September 2001 Islamisten das World Trade Centre in Schutt und Asche legten und in den USA eine Sicherheitshysterie ausbrach, schwappte diese Welle auch in die Architekturdebatten. Der "Kampf gegen den Terror", bis dahin Legitimation amerikanischer Außenpolitik, wurde nach 9/11 instrumentalisiert - hinein bis in die Bau- und Kulturpolitik. Anders gesagt: Seit dem 11. September zeichnete das State Department die Architekturpläne für die US-Botschaft. Die Amerikaner verlangten sogar Eingriffe in den öffentlichen Raum der Stadt. Wachhäuschen und Absperrmaßnahmen sollten die US-Botschaft am Pariser Platz martialisch sichern. Rund um das Haus war ein 30 Meter breiter Sicherheitsstreifen geplant, um das Gebäude auf Distanz zu halten. Straßen hätten umgeleitet werden müssen, die Fläche des Holocaust-Mahnmals drohte beschnitten zu werden. Auch die Nachbarn der Botschaft, die Akademie der Künste oder die DZ-Bank, wären Leidtragende der Absperrungen geworden. Doch Berlin lehnte die übermäßigen Sicherungen ab. Ein Sicherheitsabstand von 18 Metern und die Verschwenkung der Behrenstraße um sieben Meter in Richtung Holocaust-Mahnmal sollten das Maximum bilden.

Der Konflikt zwischen den Interessen des Landes Berlin und den USA verzögerte die Pläne derart, dass das repräsentative Bauvorhaben vor Ort zum endlosen Streitfall wurde.

Hans Stimmann, damals Senatsbaudirektor, forderte von den USA angesichts der Verzögerungen in der letzten Baulücke am Pariser Platz, "zu bedenken, ob sie ihre Botschaft nicht an einer anderen Stelle der Stadt bauen wollen".

Kompromissarchitektur

Wahrscheinlich würde bis dato nicht gebaut, hätte 2004 der damalige US-Botschafter Daniel Coats nicht einen Kompromiss aus der Tasche gezogen: Die Behrenstraße wurde etwas nach Süden verrückt und "ein Teil der Sicherheitsmaßnahmen sollte nach innen verlegt werden". Hinzu kommen musste dafür ein hoher Zaun rund um das Gebäude.

Berlin war mit den Vorschlägen inklusive breiterer Gehwege an der Südseite des Gebäudes einverstanden. 2005 war Baubeginn, 2006 Richtfest. Die letzte Baulücke im städtebaulichen Gefüge ist nun geschlossen.

Gelitten hat die Architektur schließlich auch darum, weil das State Department die Bausumme von rund 150 Millionen Euro auf 130 Millionen zusammenstrich. Geblieben ist der Hauch Moorescher Postmoderne. Insbesondere dort, wo sich aus der Mitte des Bauwerks die Rotunde und der Glaszylinder herausschälen, erkennt man die letzten Rudimente der Pläne, die mit historischen Zitaten nur so spielen wollten. Diese hätten das Gebäude zu einem ebenbürtigen Partner unter den Architekturen am Pariser Platz gemacht.

Vielleicht findet sich davon ja noch einiges in Innern der Botschaft. Zu besichtigen war dieser Bereich bisher nicht - aus Sicherheitsgründen.

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