UNIONS-JURISTEN LEGEN PAPIER ZUR KRIMINALITÄTSBEKÄMPFUNG VOR: Wachsweiche Worte
In der Kriminalitätsbekämpfung war die Union stets eine verlässliche Größe. Ausländer, Drogen Organisiertes Verbrechen – das war der aufsteigende Gesang, mit dem man die konservative Wählerschaft bei Laune hielt. Nun regiert Rot-Grün, und das Chaos ist nicht eingetreten. Im Gegenteil. Innenminister Schily bemüht sich, gar nicht erst den Verdacht liberaler Weichlichkeit, wie von der CDU unterstellt, aufkommen zu lassen. Schlechte Aussichten für ein früheres Vorzeigethema der heutigen Opposition.
Ein Blick auf das neueste Thesenpapier eines Arbeitskreises christdemokratischer Juristen genügt, um die Hilflosigkeit der CDU auf dem Feld der Kriminalitätsbekämpfung zu studieren. Da ist zwar noch im Zusammenhang mit der Arbeit der Polizei von „Zugreifen statt zusehen“ die Rede. Doch das Schlagwort ist nur noch Reminiszenz an die gute alte Kanther-Zeit. Selbst als Titel für das Thesenpapier wollte man den markigen Spruch nicht mehr heranziehen. Aus gutem Grund. Er wäre, bei näherer Betrachtung, schlichtweg die Überschrift zu einer Mogelpackung gewesen. Denn was der Arbeitskreis der CDU-Juristen in seinen 20 Thesen zusammengetragen hat, könnte so oder in ähnlicher Form auch bei der SPD, den Grünen oder der FDP stehen: mehr Geld für die Jugendarbeit, kleinere Klassen, zusätzliche Lehrer. Das sind ohne Zweifel Forderungen, die derzeit populär und vernünftig sind. Auffallend häufig bemühen die CDU-Juristen den Begriff der Prävention; damit liegen sie im Trend des gesellschaftlichen Diskurses. Prävention wird heutzutage fast schon inflationär angewandt – ob in der Jugend-, in der Sicherheits- oder eben in der Kriminalitätspolitik. Nur: Ein Programm erwächst eben noch nicht daraus, dass man einen schicken Begriff übernimmt.
Das Problem der CDU ist, dass der Paradigmenwechsel in der Kriminalitätsbekämpfung nicht so bruchlos funktioniert. Wo früher Kanther mit markigen Sprüchen den rechten Rand anzubinden glaubte, soll mit einem Mal die viel beschworene gesellschaftliche Mitte, die die SPD für sich gepachtet hat, mit weichen Worten gewonnen werden. Das kann nicht aufgehen, weil es innerhalb der Partei Unsicherheit erzeugt und außerhalb Misstrauen. Erschwerend kommt für die CDU noch hinzu, dass eine Opposition, die dasselbe will wie die Regierungspartei, schlichtweg überflüssig ist.
Nein, es ist einfach nicht die Zeit der Oppositionspartei CDU. Sie hat Rot-Grün wenig entgegenzusetzen, weil sie erst noch dabei ist, sich selbst auszuloten. Die alten Rezepte helfen nicht mehr weiter, neue sind nicht in Sicht. Und was übrig bleibt, wird von Rot-Grün anständig verwaltet.
SEVERIN WEILAND
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