UNICEF-Bericht: Kinder brauchen mehr als Geld
Jedes vierte Migrantenkind bleibt in Metropolen ohne Schulabschluss. Zusammen mit Alleinerziehenden und Kindern aus bildungsfernen Großfamilien sind sie besonders armutsgefährdet.
BERLIN taz Schwerer Start und schlechte Chancen: Kinder von Alleinerziehenden und Migranten haben es besonders schwer in Deutschland. Das ergibt der UNICEF-Bericht zur Lage von Kindern in den Industrieländern. Darin haben Forscher erstmals Bildung, Gesundheit und die materielle Situation von Kindern in reichen Ländern international verglichen.
Ein besonderes Problem ist dabei die steigende Kinderarmut. Kinder von alleinerziehenden Eltern sind am stärksten betroffen: Rund 40 Prozent von ihnen wachsen in relativer Armut auf. Denn viele Alleinerziehende sind nicht erwerbstätig - was wiederum auch daran liegt, dass arbeitende Alleinerziehende ihre Kinder irgendwo unterbringen müssen, und da sieht es besonders bei der Betreuung für die Kleinsten schlecht aus. 2005 besuchten nur 6,2 Prozent der unter Dreijährigen in Westdeutschland eine Kindertagesstätte, in Ostdeutschland waren es immerhin 36,6 Prozent.
"Nicht Kinder machen arm, sondern Kinder leben arm, wenn die Eltern nicht arbeiten", sagte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) bei der Vorstellung des Berichts. Sie betonte, wie wichtig Kinderbetreuungsangebote nicht nur für Alleinerziehende, sondern auch für Kinder aus Migrantenfamilien sind: Die gehören zusammen mit Kindern aus Großfamilien zu den zwei weiteren armutsgefährdeten Gruppen.
Um zu verhindern, dass kinderreiche Familien in die Armut rutschen, plädierte die Familienministerin für ein nach Kinderzahl gestaffeltes Kindergeld. Ob und wie stark Kindergeld und Kinderfreibetrag erhöht werden, will von der Leyen auch vom Existenzminimum-Bericht abhängig machen, den das Finanzministerium im Herbst vorlegt.
Nicht nur auf das Geld, auch auf die Bildung haben die Forscher geschaut. Das Fazit hier: Migranten und Kinder aus bildungsfernen Schichten sind stark im Nachteil. Migrantenkinder gehen seltener in den Kindergarten und besuchen später überproportional oft Sonder-und Hauptschulen. Viele erreichen anschließend keinen Schulabschluss - in Berlin und Hamburg etwa sind es ein Viertel der Schüler mit Migrationshintergrund.
Aber auch für deutsche Schüler ist das Bildungssystem tückisch. Die schlechten Ergebnisse im PISA-Test der Schüler um die 15 Jahre ließen sich vor allem auf die mangelnde Förderung an den weiterführenden Schulen zurückführen: "Offensichtlich werden im hoch selektiven deutschen Schulsystem nicht nur die schwächeren Schüler ausgegrenzt. Gleichzeitig scheint es so, dass auch die Besseren nicht so gefördert werden, dass sie im internationalen Bereich mithalten können", heißt es im Bericht.
Stärker als in anderen reichen Ländern entscheiden in Deutschland außerdem Herkunft und Umfeld über die Schullaufbahn der Kinder. Als entscheidende Indikatoren hierfür nennt die UNICEF den Schulabschluss der Eltern, die durchschnittliche Zahl der Bücher im Haushalt und auch die Arbeitslosigkeit in der Wohngegend.
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