UN reagiert auf Gewalt in Libyen: Uneingeschränktes Waffenembargo
Waffenembargo, Reiseverbot und Geldentzug: Die UN hat sich einstimmig auf Sanktionen gegen das Regime von Libyens Machthaber Gaddafi geeinigt. Und schalten noch ein Gericht ein.
GENF taz | Nachdem der UN-Sicherheitsrat und die USA am Wochenende erste Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime verhängt haben, befasst sich heute der UN-Menschenrechtsrat in Genf auf Außenministerebene mit der Lage in Libyen. Unter anderen werden Hillary Clinton (USA), Sergei Lawrow (Russland) und Bundesaußenminister Guido Westerwelle an der Sitzung teilnehmen.
Der UN-Sicherheitsrat in New York verhängte in der Nacht zu Sonntag in einer einstimmig beschlossenen Resolution ein uneingeschränktes Waffenembargo gegen Libyen; die ausländischen Konten und sonstigen Vermögen von Gaddafi, vier seiner Söhne, seiner Tochter sowie von seinen zehn engsten Vertrauten sollen gesperrt werden.
Zudem wurden diese 16 Personen und weitere drei Söhne Gaddafis mit einem internationalen Reiseverbot belegt. Laut Resolution sind sie verantwortlich für "schwere und systematische Verstöße gegen die Menschenrechte", darunter Gewalt gegen friedliche Demonstranten.
"Die weit verbreiteten, systematischen Angriffe auf Zivilisten erfüllen möglicherweise den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit", erklärte der Rat. Daher ermächtige er den für derartige Verbrechen sowie für Völkermord und Kriegsverbrechen zuständigen Internationalen Strafgerichtshof (IStGh) in Den Haag, ein Ermittlungsverfahren gegen die libysche Führungsriege einzuleiten.
Da Libyen dem IStGh bislang nicht beigetreten ist, sind Verfahren gegen libysche StaatsbürgerInnen nur nach einem entsprechenden Beschluss des Sicherheitsrats möglich.
Eine zuvor diskutierte Flugverbotszone über Libyen wurde vom UN-Sicherheitsrat nicht beschlossen. Nach Angaben von Diplomaten habe auch keiner der 15 Mitgliedstaaten des Rats einen entsprechenden Vorschlag eingebracht.
Noch am Donnerstag hatte der bisherige Verteidigungs- und designierte Außenminister Frankreichs, Alain Juppé, öffentlich die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert, um weitere Bombardements Gaddafi-treuer Luftwaffenoffiziere gegen die Bevölkerung sowie das Einfliegen von Söldnern aus anderen afrikanischen Ländern zu verhindern.
Der libysche Botschafter bei der UNO in New York unterstützte die Resolution des Rats in einer schriftlichen Stellungnahme und distanzierte sich ausdrücklich von Gaddafis Regime. Eine entsprechende Erklärung hatte am Freitagabend bereits der UN-Botschafter in Genf auf der dortigen Libyen-Sondersitzung des Menschenrechtsrats abgegeben.
Die Genehmigung für die von vielen Seiten schon länger angemahnte Sanktionsresolution des UN-Sicherheitsrates kam in der Nacht zum Samstag von den USA - nachdem sämtliche US-BürgerInnen aus Sorge vor eventuellen Racheakten des Regimes aus Libyen evakuiert worden waren.
In Washington forderte US-Präsident Barack Obama Gaddafi zum "sofortigen Rücktritt" auf und verkündete die Sperrung von Konten und Vermögen des Gaddafi-Clans in den USA. Nur eine knappe Stunde vor Obamas Rede wurde die US-Botschaft in Tripolis geschlossen, und das Flugzeug mit den bislang dort stationierten DiplomatInnen hatte den libyschen Luftraum verlassen.
Kanada und Großbritannien schlossen am Samstag ebenfalls ihre Botschaften in Tripolis und evakuierten noch vor dem Sanktionsbeschluss des UN-Sicherheitsrats ihre letzten in Libyen lebenden StaatsbürgerInnen - mit Flugzeugen, die ohne vorherige Genehmigung durch die libyschen Behörden, aber auch völlig unbehindert von libyschen Streitkräften in den Luftraum des Landes eindrangen, landeten und wieder abflogen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die UN-Sanktionen als "starkes Signal an Oberst Gaddafi und andere Despoten, dass Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt bleiben".
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