piwik no script img

UN-Bericht aus 21 LändernBlauhelme unter Missbrauchsverdacht

In einem UN-Bericht werden Blauhelme aus 21 Ländern des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Die UNO spricht von einem „besorgniserregenden“ Anstieg der Fälle.

Die meisten Beschwerden richteten sich gegen Soldaten afrikanischer Länder Foto: dpa

New York afp | Die Vereinten Nationen melden einen „zutiefst besorgniserregenden“ Anstieg bei Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs durch UN-Blauhelm-Soldaten. Allein im vergangenen Jahr habe es 69 Anschuldigungen gegeben, betroffen waren Soldaten aus 21 Ländern, wie aus einem Bericht von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hervorgeht, der der Nachrichtenagentur AFP in New York vorlag. Erstmals werden darin auch die betroffenen Länder genannt.

An erster Stelle der Verdachtsfälle stehen demnach Soldaten aus der Demokratischen Republik Kongo mit sieben Beschuldigungen, gefolgt von Marokko und Südafrika mit je vier Vorwürfen. Die meisten Beschwerden richteten sich gegen Soldaten afrikanischer Länder: Kamerun, Kongo, Tansania, Benin, Burkina Faso, Gabun, Niger, Nigeria und Togo waren betroffen. Auch gegen Polizisten aus Ruanda, Ghana, Madagaskar und Senegal gab es Vorwürfe.

Betroffen waren aber auch Polizisten aus Deutschland und Kanada, die bei UN-Blauhelmmissionen dabei waren. Auch Polizisten aus Moldawien und der Slowakei wurden aufgelistet. Bei zwei UN-Missionen gab es den Großteil der Beschuldigungen wegen Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch oder sexueller Ausbeutung: bei der Minusca-Truppe in der Zentralafrikanischen Republik sowie bei der Minusco in der Demokratischen Republik Kongo.

Zuletzt hatte die UNO 120 kongolesische Blauhelme aus Zentralafrika wegen neuer Vorwürfe des Kindesmissbrauchs abgezogen. Auch gegen französische Soldaten waren dort schon mehrfach schwere Vorwürfe erhoben worden. Zwischen Dezember 2013 und Juni 2014 sollen französische Blauhelme in einem Lager nahe der Hauptstadt Bangui mehrere Kinder im Alter zwischen neun und 13 Jahren missbraucht haben.

Kein Fall aus 2015 hatte bisher strafrechtliche Folgen

„Dieser Anstieg bei der Zahl der Beschuldigungen ist zutiefst besorgniserregend“, heißt es in dem Bericht, der offiziell am Freitag vorgelegt werden soll. Die 69 Beschuldigungen im vergangenen Jahr seien ein „deutlicher Anstieg“ im Vergleich zu den 52 Fällen im Jahr 2014. Im Jahr davor hatte es 66 Fälle gegeben. Unter den Missbrauchsopfern waren dem Bericht zufolge mindestens 22 Kinder, doch könnte die Zahl höher sein, weil das Alter nicht immer bestimmt werden konnte.

Keiner der Fälle aus dem vergangenen Jahr hatte bisher strafrechtliche Folgen für die Beschuldigten. Nach den Regelungen der UN obliegt es dem Entsendestaat, seine Soldaten oder Polizisten zur Rechenschaft zu ziehen. Bei Vorwürfen, die das Jahr 2014 betreffen, hatte es in wenigen Einzelfällen geringe Haftstrafen gegeben. Menschenrechtsgruppen haben die weitgehende Straflosigkeit für UN-Blauhelme angeprangert.

UN-Generalsekretär Ban empfahl nun eine Begrenzung für Untersuchungen auf sechs Monate sowie Militär-Gerichtsbarkeiten vor Ort. Außerdem sollten die Länder DNA-Proben ihrer Blauhelme zur Verfügung stellen. Die USA bereiten eine UN-Resolution vor, die diese Vorschläge unterstützen soll. Darüber könnte der UN-Sicherheitsrat laut Diplomaten am 11. März beraten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die Fälle steigen vermutlich gar nicht an. Sie werden nur bekannt.

    • @Nase Weis:

      Das Thema wurde zuletzt sehr viel publiziert, daher steigen die Chancen auf Schadenersatz, weshalb die Mühsal und die Risiken einer Anzeige auf sich genommen werden.

      Gleichzeitig wird die Definition, was sexueller Missbrauch ist, immer breiter. Die GIs mit ihren deutschen Fräuleins nach dem zweiten Weltkrieg, ständen heute allesamt am Pranger. Dies hilft den Organisationen, die mit diesem Thema ihre Spenden akquirieren - ob das den Opfern von Vergewaltigung und schwerem Missbrauch hilft, kann angezweifelt werden.

      Es ist gut, wenn wir von der UN fordern, dass sie eine Vorbildfunktion einnehmen muss. Allerdings ist es absurd, hier immer kleinere Verfehlungen immer grösser anzuprangern und gleichzeitig schwerste Kriegsverbrechen auch der Staaten des UN-Sicherheitsrates einfach hinzunehmen. Aber das ist die Dynamik des UN-Systems: Die Bekämpfung von sexueller Gewalt hat gerade Konjunktur und die Mittel dafür fließen im Überfluss an die NGOs. Die Bekämpfung von anderen schweren Kriegsverbrechen wie Verschleppung, Folter, willkürliche Morde, Beschuss von Wohngegenden, Einsatz von Steubomben etc. dagegen hat aktuell keine Lobby. Lediglich ein paar wenige mit unabhängigen Budgets ausgestattete NGOs kümmern sich darum.

      • @Velofisch:

        Es geht nicht um kleine Verfehlungen. Ich war 2008 in Liberia. Wie sich teilweise UN-Angehörige, gegenüber Frauen und minderjährigen Mädchen verhalten haben war unglaublich. Gerade Minderjährige ohne Familie, waren nach dem Bürgerkrieg Freiwild. Als ich ankam wurde gerade bekannt, dass vier UN-Angehörige aus der Ukraine zwei 12 Jahre alte Mädchen vergewaltigt haben. Die Täter wurden schnell und heimlich außer Landes gebracht, weil die Bevölkerung unruhig wurde. Ob sie verurteilt wurden weiß keiner. Die Bekämpfung von sexueller Gewalt hat keine "Konjunktur", sondern sie war lange überfällig, weil die UN das Thema lange Zeit ignoriert hat. da wo Chaos, Hunger und Rechtsfreiheit herrscht, werden manche Männer zu Viecher.