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UN-Beobachtermission zieht abRegime will UN-Wahrheit nicht hören

Nach dem Abschuss des türkischen Kampfjets durch Syrien hat die UN ihre Beobachtermission eingestellt: Syrien sei zu gefährlich. Die Beobachter seien bereits zehn Mal beschossen worden.

„Mindestens zehnmal beschossen“: Der Leiter der UN-Beobachtermission Robert Mood (l.) mit Sondervermittler Kofi Annan. Bild: dapd

BEIRUT/WASHINGTON dapd/afp | Die Chancen für eine friedliche Lösung des Konflikts in Syrien haben sich weiter verschlechtert: Die Vereinten Nationen wollen ihren Beobachtereinsatz vorerst nicht weiterführen, weil es für die Mitarbeiter der Teams in dem Land zu gefährlich geworden ist.

Derweil tagte der UN-Menschrechtsrat in Genf. Die Verantwortlichen für das Massaker von Hula wurden gesucht. UN-Ermittler haben vor dem Gremium amMittwoch einen Bericht über das Massaker in Hula vorgelegt, bei dem im Mai 108 Zivilisten getötet worden waren. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass vermutlichregierungstreue Truppen für die Toten verantwortlich waren. Aus Protest gegen Kritik hat Syrien die Sitzung verlassen.

Nach dem Abschuss eines Kampfjets hatte die Türkei dem Regime von Präsident Baschar Assad für den Fall weiterer Provokationen am Dienstag mit militärischen Reaktionen gedroht. Eine Schwächung der Streitkräfte Syriens ist nach Einschätzung der USA trotz einer zunehmenden Zahl von Deserteuren bisher nicht zu erkennen.

Derzeit ist es für die Beobachter zu gefährlich

Die UN-Beobachtung in Syrien könne zwar möglicherweise irgendwann wieder anlaufen, derzeit sei es aber für die Beobachter zu gefährlich, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, sagte der Leiter der UN-Friedenseinsätze, Hervé Ladsous, dem UN-Sicherheitsrat, wie ein UN-Diplomat am Dienstag mitteilte. Die Beobachter waren nach Angaben ihres Leiters Robert Mood mindestens zehn Mal direkt beschossen worden. Daraufhin wurde der Einsatz Mitte Juni ausgesetzt.

Die NATO hatte den Abschuss des türkischen Flugzeugs am Dienstag „aufs Schärfste“ verurteilt. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach der Türkei bei einem Sondertreffen die Solidarität des Bündnisses aus. Vergeltungsmaßnahmen wurden aber ausgeschlossen.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan verschärfte hingegen den Ton gegenüber Damaskus. Die Einsatzregeln hätten sich geändert, sagte er. „Jedes militärische Element, das sich von Syrien aus der türkischen Grenze nähert und ein Sicherheitsrisiko und eine Gefahr darstellt, wird als Bedrohung und als militärisches Ziel betrachtet“.

Heftige Gefechte in Vororten von Damaskus

In Syrien selbst kam es unterdessen erneut zu Gefechten mit mehreren Toten. In Vororten von Damaskus wurden nach Angaben von Aktivisten am Dienstag mindestens sieben Menschen getötet. Im östlichen Deir el Sur kamen demnach mindestens fünf Menschen ums Leben.

Trotz zunehmender Berichte über Deserteure sehen die USA bisher keine entscheidende Schwächung der syrischen Streitkräfte. Dank großzügiger Bezahlung stünden die Truppen dem Regime von Assad weiter loyal gegenüber, während die Kämpfer der Opposition schlecht aufgestellt seien und keine geeinten Angriffe organisieren könnten, verlautete am Dienstag aus Geheimdienstkreisen in Washington.

Während in weiten Teilen des Landes Nahrung und Benzin knapp geworden seien, sichere sich das Regime die Treue der Soldaten vor allem über entsprechende Entlohnung, sagten Geheimdienstmitarbeiter der Nachrichtenagentur AP.

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7 Kommentare

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  • R
    Ralph

    Dass die taz jetzt auch in die Lügen über Syrien einstimmt, ist schlimm und ein Zeichen, dass Kriegstreiberei offensichtlich keine politischen Grenzen kennt. Für mich ist die taz damit gestorben.

    Nie wieder Krieg sollte das Motto aller friedliebenden Menschen sein und nicht Lügen und Morden.

  • HP
    Hans Peter Ernst

    Im März 2011 hatten Kinder und Jugendliche in der südsyrischen Stadt Deraa den zuvor schon aus Tunesien und Ägypten bekannten Slogan "Das Volk will den Sturz des Regimes" an Mauern und Wände gepinselt. Sie wurden verhaftet und gefoltert. Und nach wenigen Tagen mit Folterspuren, Blutergüsse, ausgerissene Fingernägel und ähnliches, wieder zu ihren Familien entlassen. Das Ziel solcher Gewaltmethoden: Angstmache und Einschüchterung bewirkte jedoch das Gegenteil: noch mehr Hass und Wut und Demonstrationen. Dabei wurden am 18. März von sogenannten "Sicherheitskräften" mindestens vier Menschen erschossen. Bei den Begräbnissen der Toten wurde ein Mensch erschossen. Die Proteste weiteten sich aus und schnell entstand auch in anderen Ländern der Eindruck, es sei dringend nötig etwas zu tun. Auf die Strassen gehen und für den Frieden demonstrieren, oder, hoffnungsfroher, eine Geldüberweisung an die Revolutionäre unterschreiben.

  • HS
    Hari Seldon

    Der Artikel (und Titel) wurde heute schon "aktualisiert", zum Beispiel mit dem Bericht über die Massaker in Hula. Sogar FAZ hat damals berichtet (und auch sofort nach der Massaker der Leiter der UN-Beobachtermission), dass in Hula gerade die "Freiheitskämpfer" massakrierten. Jetzt will der "UN-Menschenrechtsrat" eine veränderte Version (Lüge) verkaufen. Vergessen wir auch nicht, dass gerade die Rebellen die Vereinbarung mit Kofi Annan gekündigt haben (s. den entsprechenden Artikel sogar in der TAZ). Unsere Medienfritzen vergessen die bekannte Wahrheit: "Honesty ist the best policy" sogar kurzfristig. Der Krieg gegen Syrien kann für die BRD (und EU) nur Verluste verursachen, genau wie für das Volk in Syrien.

  • E
    end.the.occupation

    Man muss kein Genie sein, um zu der Annahme zu gelangen, dass die von der CIA unterstützten und von den Kopfabschneidern in Saudi-Arabien finanzierten 'Rebellen' hinter dem Beschuss der UN-Truppen stehen.

     

    Da die Aufständischen mit Waffen und Geld versorgt werden - und dazu die erforderlichen Massaker abliefern, die als Treibstoff für die Phantasien der hiesigen Menschenrechtsretter in den Medien dienen - daher ist nicht absehbar, wie das Abgleiten Syriens in die Bahn von Afghanistan oder Somalia aufgehalten werden könnte.

     

    In wenigen Monaten oder Jahren - einige zehn- oder hunderttausend Tote weiter - wird der ein oder andere Unterstützer hier einräumen, dass die Sache schief gegangen sei.

     

    Natürlich könnten Damen und Herren auch einfach in die irakische Kristallkugel blicken, in der man die Folgen des Imperialismus im Namen der Menschenrechte bewundern kann.

     

    Das aber soll nicht sein, weil westliche Macht-Interessen natürlich weitaus wichtiger sind - wie ein paar zehn- oder hunderttausend tote Syrer, Iraker oder demnächst vielleicht Iraner - ganz zu schweigen von Palästina.

  • JO
    Jürgen Orlok

    "sichere sich das Regime die Treue der Soldaten vor allem über entsprechende Entlohnung, sagten Geheimdienstmitarbeiter der Nachrichtenagentur AP."

    Einige angebliche syrischer Deserteure berichten, daß sie sich absetzten auf Terroristenseite, als sie eingezogen werden sollten.

    Bei der hohen Anzahl von ermordeten syrischen Sicherheitskräften ist es doch höchst unwahrscheinlich, nur die Bezahlung diese Kräfte weiterkämpfen läßt, astonomische Gehälter wurden ja nicht verbreitet. Hier wird wieder einmal die platte psychologische Kriegsführung des Westens nachgeplappert.

    Wie in Libyen, sollten sich die Leser doch einmal Gedanken machen, warum die Leute kämpfen, obwohl Syrien einem "Lügentsunami" ausgesetzt ist.

    Wie in Libyen müssen in Syrien große Teile des Volkes gegen UNS und unsere FREUNDE, den Abschaum der Menschheit, kämpfen.

  • JO
    Jürgen Orlok

    "sichere sich das Regime die Treue der Soldaten vor allem über entsprechende Entlohnung, sagten Geheimdienstmitarbeiter der Nachrichtenagentur AP."

    Einige angebliche syrischer Deserteure berichten, daß sie sich absetzten auf Terroristenseite, als sie eingezogen werden sollten.

    Bei der hohen Anzahl von ermordeten syrischen Sicherheitskräften ist es doch höchst unwahrscheinlich, nur die Bezahlung diese Kräfte weiterkämpfen läßt, astonomische Gehälter wurden ja nicht verbreitet. Hier wird wieder einmal die platte psychologische Kriegsführung des Westens nachgeplappert.

    Wie in Libyen, sollten sich die Leser doch einmal Gedanken machen, warum die Leute kämpfen, obwohl Syrien einem "Lügentsunami" ausgesetzt ist.

    Wie in Libyen müssen in Syrien große Teile des Volkes gegen UNS und unsere FREUNDE, den Abschaum der Menschheit, kämpfen.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Der Türkenflieger wurde in Syrien abgeschossen. Terrorabwehr ist völkerrechtlich normal. Oder ist das Völkerrecht etwa abgeschafft worden? Syrien war Opfer eines Überfalls und hat sein Staatsgebiet verteidigt. Das sind die bisher geltenden Spielregeln. Das die Nato Syrien dafür verurteilt, dass es sein Staatsgebiet verteidigt zeigt klar, dass hier ein Krieg erzwungen werden soll. Das geschieht ziemlich primitiv. Wo bleibt der deutsche Verfassungsschutz. Auslandseinsätze sind der BRD nach wie vor verboten. Wenn das NATO Bündnis Völkerrecht bricht muss Deutschland sich aus diesem Verbrecherpack endlich zurückziehen.