UN-Aids-Gipfel in New York: Das Ende von Aids
Die UN verkünden in ihrer Abschlusserklärung die "Verpflichtung, der Epidemie ein Ende zu setzen". Die versammelten Staatschefs sprechen von einem "Wendepunkt".
Ausgerechnet eine der verheerendsten Seuchen der Welt liefert jetzt Stoff für gute Nachrichten. Zum Abschluss eines der größten internationalen Aidsgipfel seit Jahren haben die am UN-Sitz in New York versammelten Staats- und Regierungschefs gestern einen "Wendepunkt" in der Ausbreitung des HI-Virus konstatiert.
Sie verpflichten sich in ihrer Abschlusserklärung, die am Freitagabend verabschiedet werden sollte und der taz vorab vorlag, zur Erfüllung "neuer, ambitionierter und erfüllbarer Ziele auf der Grundlage der beeindruckenden Fortschritte der letzten zehn Jahre" und erklären "feierlich" ihre "Verpflichtung, der Epidemie ein Ende zu setzen".
Jahrelang hatten Aidsaktivisten die ungebremste Ausbreitung des HI-Virus in den Vordergrund gestellt und darauf hingewiesen, dass die meisten Aidskranken in armen Ländern noch immer einen unwürdigen Tod sterben. Heute hingegen weiß man inzwischen aus den reichen Ländern, wie Aids zu meistern ist - nun geht es darum, dies für alle Menschen auf der Welt möglich zu machen.
Infizierte: Seit dem Ausbruch der Krankheit 1980 haben sich mehr als 60 Millionen Menschen mit HIV angesteckt; etwa die Hälfte davon starb. Derzeit sind weltweit mehr als 34 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert, das sind rund 8 Millionen mehr als noch 1999. Rund 1,8 Millionen Menschen starben 2009 an den Folgen von Aids. Rund 26 Prozent aller Neuinfektionen betreffen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren. In Südafrika ist die Wahrscheinlichkeit einer Neuinfektion bei Frauen fünfmal so hoch wie bei Männern.
Behandlung: Etwa 6,6 Millionen Menschen in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen erhielten 2010 eine antivirale Therapie, bei weiteren 9 Millionen wäre eine solche nötig. Von 2001 bis 2009 stiegen die Investitionen zur Bekämpfung von HIV in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen auf das Zehnfache: rund 15,9 Milliarden Dollar. Bis 2015 werden nach Berechnungen der UN weitere
22 Milliarden benötigt, 6 Milliarden mehr, als derzeit zur Verfügung stehen. 2010 sanken erstmals in den letzten zehn Jahren die Ausgaben weltweit.
"Als Wissenschaftler vor dreißig Jahren erstmals Aids identifizierten, war es mysteriös, tödlich und breitete sich aus. Heute haben mehr und mehr Menschen Zugang zu Behandlung, die Zahl der Infektionen sinkt, und mehre Schwangere mit HIV halten ihre Babys frei von Infektion", sagte UN-Vizegeneralsekretärin Asha-Rose Migiro aus Tansania letzte Woche bei der Vorlage des Jahresberichts des UN-Aidsbekämpfungsprogramms UN-Aids. Sie gab für den Gipfel dieser Woche eine "Nulllosung" aus: "Null neue HIV-Infektionen, null Diskriminierung, null Aidstote."
Noch 9 Millionen ohne Behandlung
Als vor zehn Jahren der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose gegründet wurde, erhielten erst wenige hunderttausend Menschen antiretrovirale Aidsmedikamente, und sie waren unbezahlbar - im Jahr 2010 waren 6,6 Millionen Menschen weltweit in Behandlung, 1,4 Millionen davon waren neu im Laufe des Jahres hinzugekommen. Aber immer noch sind 9 Millionen Aidskranke ohne Behandlung. Bis 2015, so hat jetzt der Aidsgipfel beschlossen, soll diese Zahl auf 0 sinken. Auch soll ab 2015 kein Kind auf der Welt mehr HIV-positiv geboren werden.
"Die Einigung, 15 Millionen Menschen behandeln zu wollen, ist ein Erfolg, aber belanglos, wenn ihm nicht konkrete Taten folgen", mahnt Oliver Moldenhauer von Ärzte ohne Grenzen. Die Organisation erinnert daran, dass die globalen Ausgaben zur Aidsbekämpfung 2010 rückläufig waren und nur der andauernde Preisverfall bei Medikamenten das kaschiert habe. Die "Null"-Ziele seien "realistisch und in absehbarer Zeit umsetzbar", erklärten das "Aktionsbündnis gegen Aids" und die Deutsche Aids-Hilfe, aber "die dafür notwendige Finanzierung steht in den Sternen".
Aber die Sterne, so hofft die UNO, sind zum Greifen nah. 15 Milliarden Dollar wurden letztes Jahr für die Aidsbekämpfung in armen Ländern ausgegeben - 22 bis 24 Milliarden müssten es sein, heißt es in der Gipfelerklärung. Die Lücke, bisher geplante Zuwächse einkalkuliert, wird mit 6 Milliarden Dollar angegeben - etwas über 4 Milliarden Euro. Das erscheint machbar.
Denn es lohnt sich: Je mehr Kranke behandelt werden, desto weniger geben das Virus weiter - so führt ein Fortschritt quasi automatisch zum nächsten. UN-Aids-Direktor Michel Sidibé verwies auf messbare Fortschritte in den beiden Ländern mit den meisten HIV-Infizierten auf der Welt: In Südafrika sei die Rate der Neuinfektionen bereits um 35 Prozent gesunken, in Indien sogar um 50 Prozent. Weltweit sei die Mutter-Kind-Infektions-Raten bei HIV-positiven Schwangeren um 26 Prozent gesunken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos