: Tyson vs. Lewis
Es geht um das Gute gegen das Böse. Das Böse kommt aus den USA und heißt Mike Tyson. Das Gute ist Brite, heißt Lennox Lewis und ist Boxweltmeister im Schwergewicht in den Versionen zweier von vier Weltboxverbänden. Beide Titel werden heute in Memphis beim bestdotierten Boxkampf der Geschichte ausgetragen.
Gut hundert Millionen US-Dollar stecken in diesem Kampf. Jeder Boxer erhält 17,5 Millionen Dollar garantierte Kampfbörse – zuzüglich Anteilen aus dem Verkauf der Pay-per-View-Lizenzen. Gesamtsumme pro Kämpfer: dreißig Millionen Dollar.
Die in Hamburg lebenden Brüder Klitschko könnten wohl sportlich mit beiden Fightern mithalten – aber mit den beiden Osteuropäern ließen sich nicht solche Profite erzielen.
Boxen lebt vom Nimbus des Ultimativen. Zwar sehen die Regeln ein Unentschieden vor – doch dies gibt es beim Berufsboxen nur bei Aufbaukämpfen, jenen Fights also, die den Kampfrekord eines Boxers (Tyson: 49 Siege, drei Niederlagen, 43 K. o.; Lewis: 39 Siege, 1 Niederlage, 30 K. o.) verbessern und ihm Chancen auf einen Titelkampf eröffnen.
Bei Titelkämpfen gilt nur Sieg oder Niederlage. Im Schwergewicht zumal wird kein Boxer je nach ganz oben kommen, der nur sauber herausgeboxte Punktsiege einfährt – Schlagkraft verkauft sich besser als Technik.
Tyson und Lewis haben diese Regel zur Perfektion getrieben: Am 24. Juni 2000, nachdem Tyson in Glasgow nach nur 38 Sekunden in einem Nichttitelkampf den Texaner Lou Savarese k. o. geschlagen hatte, tobte der Exweltmeister weiter im Ring herum, schlug den Schiedsrichter zu Boden und ließ Weltmeister Lennox Lewis wissen: „Ich will dir dein Herz herausreißen und es an dich verfüttern.“ Die Folge: 187.500 Dollar Bußgeld und die Bemerkung von Lennox Lewis: „Ich dache, er sei Vegetarier.“
Im Mai dieses Jahres verkündete Lewis gar: „Eine Menge Fans wollen, dass ich sein großes Maul stopfe. Der Knast scheint Mike Tyson nicht diszipliniert zu haben – also muss ich es im Ring tun, wo ich ihn fällen werde wie einen umgeknickten Baum.“
Am 22. Januar wollten die Promoter beider Seiten den ursprünglich für den 6. April in Las Vegas geplanten Kampf mit einer gemeinsamen Pressekonferenz ankündigen. Tyson zettelte eine Schlägerei an und biss Lewis ins Bein – prompt verlor er die Boxlizenz für den Bundesstaat Nevada. Erst nach langen Verhandlungen stand Memphis in Tennessee als Austragungsort fest. Beide Teams kündigten an, die Boxer bis zum Kampfbeginn strikt getrennt zu halten.
Tyson vs. Lewis – boxerisch ist das ist ein Schlussstrich unter eine Ära. Für Tyson ist der Kampf die letzte Chance zum Comeback als Champion. Lewis, der ebenfalls kurz vor dem Karriereende steht, kämpft um seinen Platz in der Boxgeschichte.
Verliert er, geht er gar geschlagen zu Boden, bestätigt sich damit, was Tyson immer wieder verkündet hat: „Wäre ich nicht im Knast gewesen, wären diese ganzen Typen niemals Weltmeister geworden.“ Geht Tyson k. o., wird eine Lebenslüge entlarvt sein. Allerdings: Auch der Rückkampf will vermarktet sein. Ein klarer Sieg eines der beiden wäre dafür ungünstig – ein umstrittenes Skandalurteil umso besser. BERND PICKERT
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