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Tunesien in neuer Verfassung

Tunesiens Präsident Ben Ali setzte Verfassungsreform in Kraft / Regierungspartei hat diese Woche Parteitag  ■  Aus Tunis Knut Pedersen

Neun Monate nach der Ablösung des greisen Landesvaters Habib Bourguiba, rief gestern sein Nachfolger, Präsident Ben Ali, die Zweite Republik aus. Verfassungsrechtlich ist damit gestern Wirklichkeit geworden, was bereits seit dem 7.November 1987 Tatsache ist: In Tunesien ist eine neue Regierung an der Macht, seitdem Ben Ali den 84jährigen Habib Bourguiba ins Krankenzimmer verbannte. Die gestern in Kraft gesetzte Verfassungsrevision schafft die Präsidentenwürde auf Lebenszeit ab und stärkt die Rechte der Legislative. Auch ist fortan der Premierminister nicht wie bisher „automatischer Nachfolger des Präsidenten im Falle seiner Unfähigkeit“. Künftig übernimmt der Präsident der Volksvertretung im Notfall das höchste Staatsamt und organisiert innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen, in denen er selbst nicht kandidieren darf.

Die gestrige Verfassungsreform war der Auftakt einer politisch ausschlaggebenden Woche: Der Bevölkerung und den Oppositionsparteien wird dieser Tage ein „Nationaler Pakt“ vorgelegt, der bis zum Jahrestag des „legalistischen Putschs“ vom diskutiert und angenommen werden soll. Damit würden die Grundsätze des „Post-Bourguismus“ als unantastbarer Konsens festgeschrieben und die weitere Herrschaft der Regierungspartei gesichert. Die zur „Verfassungsrechtlich-Demokratischen Sammelbewegung“ (Rassemblement Constitutionnel Democratique, RCD) umgetaufte ehemalige Bourguiba-Partei tritt ab Freitag in Tunis zu ihrem ersten Parteitag zusammen. Dort müssen die Machthaber von gestern dann glaubhaft machen, daß sie die Demokraten von heute und morgen sind. In einem Land mit rund sieben Millionen Einwohnern, von denen mehr als die Hälfte jünger als 30 Jahre ist, ist zur Zeit viel von der „Ben Ali -Generation“ die Rede. Deren Credo ist der Anspruch auf Demokratie, den der neue Staatschef seit neun Monaten von oben dekretiert: Der Staatssicherheitshof wurde abgeschafft, der Polizeigewahrsam reglementiert, das Presserecht liberalisiert, und insgesamt wurden bislang rund 5.000 Gefangene freigelassen, darunter viele „islamistische Extremisten“. Deren Verfolgung hat ebenso ein Ende gefunden wie die Verbannung zahlreicher, ehemaliger Politiker. Viele von ihnen sind in ein Land zurückgekehrt, das seit dem 26.April offiziell ein Vielparteienstaat geworden ist.

Bislang freilich fanden nach dem Machtwechsel noch keine neuen Wahlen statt, und so herrscht im Parlament noch immer allein Bourguibas Staatspartei. Der kommende Parteitag verspricht deshalb spannend zu werden: Kann sich die RCD von der faktischen Einheitspartei zur demokratischen Regierungsformation mausern? Um an der Macht zu bleiben, wird sie sich zumindest den Anschein geben und den neuen Staatschef akklamieren. Das freilich weckt das Mißtrauen der Bevölkerung, die einer „demokratischen Verheißung“ mißtraut, in der die ehemaligen Jubelbrigaden Bourguibas nunmehr zum Takte Ben Alis marschieren.

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