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Tütenpflicht für Hundekot in BerlinKacke ohne Ende

Mitgeführte Tüten sollten der neue Kniff im ewigen Kampf gegen den Hundekot auf Berlins Straßen werden. Doch das Gesetz läuft offenbar ins Leere.

Die Tütenpflicht gegen Hundekot in Berlin zieht nicht Foto: Georg Knoll/laif

Berlin taz | Wer kennt ihn nicht, den Schritt ins zu Weiche, zu wenig Widerständige. Man muss gar nicht nach unten schauen, instinktiv schnellt die Feststellung ins Hirn: Scheiße, merde, bok, shit – Unangenehmes bezeichnet man in vielen Sprachen gern und ausdrucksstark mit Fäkalbezeichnungen. In Berlin findet sich für diese Bedeutungszuschreibung ein besonders lebhafter Konflikt: In der Hauptstadt pflegen Hundeliebhaber*innen und Hundefeind*innen seit Langem eine turbulente Beziehung.

Neben Leinen und Maulkorb geht es dabei in vielen Fällen um die Wurst. In der Verwaltung weiß man darüber Bescheid. Verschiedene Paragrafen sollen deshalb die friedliche Koexistenz von Hund und Mensch sichern. Einer aus dem Straßenreinigungsgesetz sieht unter anderem seit Juli 2016 vor, dass Hunde stets in mit Kottüten ausgestatteter Begleitung sein müssen. Dafür zieren in der Hauptstadt etliche Straßenlaternen mit schwarzen Beuteln befüllte Tütenspender. Wer die nicht mit sich führt, muss zahlen.

Es ist die Antwort auf ein Dilemma: Multipliziert man die 100.000 angemeldeten Hunde plus Dunkelziffer mit ungefährer Ausscheidung in Gramm, bekommt man einen groben Eindruck davon, wie viele Tonnen der übelriechenden Tretminen täglich auf der Straße landen. Doch auf Patrouille ertappen die uniformierten Mitarbeiter*innen des Ordnungsamtes die Hunde nur selten in flagranti beim Geschäft. Mit Einsetzen der Tütenpflicht sollte alles anders werden.

Joschka Langenbrinck (SPD), Bezirksabgeordneter in Neukölln und engagiert gegen Hundekot, stellte dazu Anfang April eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus mit dem martialischen Titel „Kampfansage an Hundehaufen: Durchsetzung der Tütenpflicht“. Er wollte wissen, wie es denn nun in den zwölf Berliner Bezirken bestellt ist um die Beutelpflicht.

„Das Gesetz ist ein stumpfes Schwert“

Die Antwort umfasst eine fast ironisch anmutende Tabelle, deren Spalten leer oder mit Nullen gefüllt sind. Durchgeführte Kontrollen seit Inkrafttreten: null. Verhängte Buß- und Verwarngelder: null. In acht der zwölf Bezirke fehlen die Zahlen komplett. „Bei den Bezirksämtern scheint es keine Priorität zu haben, Bürgersteige von Hundekot freizuhalten“, interpretiert Langenbrinck die Ergebnisse. Dabei definiere der Gesetzestext unmissverständlich: „Wer den Hundehaufen liegen lässt und keine geeigneten Mittel mit sich führt, handelt ordnungswidrig“, attestiert Langenbrinck.

Doch gerade bei der Feststellung solcher Ordnungswidrigkeiten läge die Schwierigkeit, heißt es beispielsweise aus Neukölln: „Vom Prinzip her spricht nichts dagegen, Hundehalter per Gesetz aufzufordern, die Hinterlassenschaften der Vierbeiner aufzusammeln. Aber das Gesetz ist ein stumpfes Schwert und kaum kontrollierbar“, erklärt Susanne Wein, Sprecherin des Bezirksamtes Neukölln. Niemand könne gezwungen werden, das Hilfsmittel ohne konkreten Verdacht vorzuzeigen. „Wir können die ‚Tütenpflicht‘ damit faktisch nicht kontrollieren.“

Ein Haufen Regeln

Berlinweit regeln das Straßenreinigungsgesetz und das Grünanlagengesetz den Umgang mit dem Hundekot. Besitzer*innen kann es laut Bußgeldkatalog 35 Euro kosten, wenn sie die Hinterlassenschaften ihrer Hunde nicht unverzüglich entsorgen. Wegen geringer Aufklärungsquote wird diese Vorschrift seit dem 22. Juli 2016 durch die sogenannte Tütenpflicht ergänzt. Seitdem kann – theoretisch – auch zur Kasse gebeten werden, wer keine geeigneten Hilfsmittel zur Beseitigung des Hundehaufens mit sich führt. (apo)

Probleme bereiten auch die Formulierung „geeignetes Hilfsmittel“ und die damit verbundene Frage, wessen Ekelempfinden das schlussendlich beurteilt.

Kontrolliert wurde auch das Herrchen von Mucho noch nie. Doch an die Leine des Mischlingsrüden sind mehrere Tüten geknotet: „Die habe ich immer dabei. Also seit einem Dreivierteljahr. Vorher hab ich das nicht gemacht, bin ich ganz ehrlich“, gibt der Hundehalter zu. Ein paar unglückliche Schritte mit neuen Sneakers hätten ihn dann aber umgestimmt, erklärt der junge Mann und zeigt sich reumütig: „Ist schon assi, den Haufen liegen zu lassen. Das ist ja mein Hund, meiner Tochter musste ich auch die Windeln wechseln.“

Joschka Langenbrinck beharrt auf seiner Forderung: „Wir wollen saubere Gehwege.“ Für ihn ist klar: Dafür müssten die Ordnungsämter die Tütenpflicht durchsetzen und Hundehalter, die den Haufen nicht sofort wegmachen, häufiger als bisher bestrafen. „Sollten findige Juristen der Meinung sein, dass das beschlossene Gesetz nicht klar genug ist, dann muss es sofort geändert werden.“

Die Tütenpflicht dürfte also nicht die letzte Episode der Tragikomödie „Berlin und der Hundekot“ sein.

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3 Kommentare

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  • Seit ich die taz lese - also seit ungefähr 35 Jahren - gibt es jeden Sommer mindestens einen launigen Artikel über Berliner Hundekot mit immer gleichem Tenor: Hilfe, Berlin versinkt im Hundekot, die Staatsgewalt ist machtlos.

     

    Dabei ist der taz-Berlin-Redaktion offenbar entgangen, dass es nun seit etwa zehn Jahren in Berlin ein ziemlich dichtes Netz an öffentliche Kotbeutelspendern nach Schweizer Vorbild gibt und das seither viel, viel, viel weniger Hundehaufen auf der Straße und im Park herumliegen. Die Hundehalter*in hat einen Stadtplan ihrer Umgebung mit allen Kotbeutelspendern und allen Mülleimern im Kopf und weiß, dass die Mülleimer oft voll sind mit den kleinen schwarzen Hundetüten - lauter Hundehaufen, die nicht auf der Straße liegen geblieben sind. Und das war schon so, bevor das Gesetz mit dem Bußgeld eingeführt worden ist. Schade, dass das den hundlosen Journalist*innen offenbar entweder nicht bekannt oder aufgefallen ist, oder keine Notiz wert ist.

     

    Oft genug übrigens klaubt die Hundehalter*in den Hundehaufen aus einem bunten Sammelsurium aus Kippen, Imbisspappen, weggeworfenen Klamotten, entsorgtem Ikeaschrott, Glasscherben, ausgespuckten Kaugummis und Kotze, während der Hund die Dönnerreste und platt getretenen Pommes von der Straße putzt. Und kommt sich dabei total bescheuert vor.

    Aber diese Form zunehmender Vermüllung ist offenbar kein Thema für Zeitung und Gesetzgeber.

  • trocknet hundescheisse erstmal schön aus und verstaubt dann, kommt ein wind und bläst es jedem in die nase. kindern auch und auf ihr eiscreme.

    bon appetit.

  • „Berlin und der Hundekot“ - aus gutem Grund hat Berlin den Beinamen "Dogshit-City". Ist zwar nicht mehr ganz so schlimm wie vor 20 Jahren, aber man sollte in manchen Gegenden besser gesenkten Hauptes gehen - wegen der Tretminen. Ich habe selbst einen Hund, aber diese Asozialen, welche dieHundescheiße auf Fußwegen liegenlassen, die könnte ich, ähm, das zu schreiben verstieße wohl gegen die Netiquette...