Türkisch-kurdischer Dialog: Mit Öcalan auf Friedenssuche
Auf einer Gefängnisinsel können kurdische Politiker zum ersten Mal mit PKK-Chef Abdullah Öcalan sprechen. Ein wichtiger erster Schritt.
ISTANBUL taz | Erstmals seit der Verhaftung von PKK-Chef Abdullah Öcalan 1999 überraschte am Freitag die Tageszeitung Radikal mit einem Foto aus dem Innern der Zelle des prominentesten Gefangenen der Türkei. Der Grund dafür ist spektakulär: Zum ersten Mal durften kurdische PolitikerInnen Öcalan auf seiner Gefangeneninsel Imrali im Marmarameer besuchen.
Ahmet Türk, neben Leyla Zana der bekannteste und angesehenste kurdische Politiker, und die Abgeordnete der kurdischen BDP Ayla Akat, die für die Partei im Verfassungsausschuss des Parlaments sitzt, wurden am Mittwochmorgen von einem kleinen Istanbuler Hafen aus quer über das Marmarameer nach Imrali gebracht. Dort hatten sie dann mehrere Stunden Zeit, mit Abdullah Öcalan zu reden. Öcalan soll sie mit dem Satz begrüßt haben: „Wir haben keine Minute zu verlieren, um für den Frieden zu arbeiten.“
Das Treffen auf Imrali ist der bislang sichtbarste Ausdruck dafür, dass die türkische Regierung und vor allem Ministerpräsident Tayyip Erdogan es jetzt offenbar ernst meinen mit einer politischen Lösung der kurdischen Frage.
Ebenfalls am Mittwoch war bekannt geworden, dass der Geheimdienstchef Hakan Fidan persönlich am 23. und 24. Dezember zwei Tage auf Imrali verbracht hatte, um mit Öcalan über dessen Roadmap zum Frieden zu reden. Anschließend erklärte der Sicherheitsberater Erdogans, Öcalan sei nach Auffassung der Regierung nach wie vor die Schlüsselfigur für eine politische Lösung mit der PKK.
Anders als bei den bisherigen Verhandlungsversuchen mit Öcalan und anderen PKK-Vertretern findet der Prozess dieses Mal nahezu öffentlich statt. Die Regierung verhindert damit, dass Verhandlungen wie 2011 durch Indiskretionen sabotiert werden können.
„Demokratischen Autonomie“
Nach bislang noch unbestätigten Meldungen wird in der Anfangsphase der Gespräche darüber geredet, dass Öcalan zu einem Waffenstillstand aufruft und die Regierung im Gegenzug eine Reihe kurdischer Gefangener freilässt. Werden die ersten Schritte erfolgreich absolviert, soll dann über das Konzept der „Demokratischen Autonomie“ geredet werden, die die Kurden für sich fordern.
Beide Seiten wissen aber, dass dafür noch viel gegenseitige Vertrauensarbeit geleistet werden muss. Erste Schritte dazu sind bereits erkennbar. Die größte türkische Tageszeitung Hürriyet druckte gestern ein Foto von vor 20 Jahren, auf dem Öcalan wie ein Staatsmann mit Anzug, Schlips und Kragen gemeinsam mit dem heutigen irakischen Staatspräsidenten Dschalal Talabani und seinem Besucher Ahmet Türk abgebildet ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht