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Türkin erschießt gewalttätigen EhemannBang Bang

Die 28-jährige Cilem Dogan hat in der Türkei ihren offenbar übergriffigen Ehemann erschossen. Im Netz wird sie dafür als Heldin gefeiert.

Manchmal wehrt sich das Opfer. Foto: dpa

Die mutmaßliche Mörderin trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck: „Liebe Vergangenheit, danke für die Lehrstunden. Liebe Zukunft, ich bin bereit“, als sie in Handschellen von Polizisten aus dem Gerichtsgebäude abgeführt wird. Cilem Dogan lächelt, auf einem Foto reckt sie ihre zwei Daumen in die Höhe.

Die 28-jährige Türkin wird beschuldigt, ihren Ehemann ermordet zu haben. Laut Medienberichten zeigt sie keinerlei Reue wegen der Tat, die sie gestanden haben soll. Und auf allen von ihr veröffentlichten Fotos aus und vor dem Gerichtssaal hat sie den Kopf trotzig erhoben, so als habe sie endlich ihr Ziel erreicht. Eine Haltung, für welche die junge Frau auf Twitter unter dem Hashtag #cilemdogan gefeiert wird.

„Die Justiz konnte ihr nicht helfen. Also musste Cilem Dogan sich selbst helfen“, twitterte eine Userin. „Sie ist eine Heldin, die sich gegen die Unterdrückung aufgelehnt hat“, jubelt ein anderer User auf dem Kurznachrichtendienst, eine Nutzerin fordert: „Lasst Cilem Dogan frei. Sie hat sich und ihr Kind gegen einen schrecklichen Ehemann verteidigt. Die Türkei sollte ihre Gesetzgebung überdenken.“

Der Mord soll sich am 8. Juli in der südtürkischen Stadt Adana ereignet haben. Nach ihrer Festnahme habe Cilem Dogan den Ermittlern geschildert, dass ihr Mann am Tag des tödlichen Geschehens morgens einen Koffer gepackt habe und sie dann aufforderte, sie solle mitkommen. Er wolle sie nach Antalya bringen, wo sie als Prostituierte arbeiten solle. Als sie sich gewehrt habe, habe der 33-Jährige sie auf das Bett geworfen. „Da kam mir die Pistole unter dem Kopfkissen in den Sinn. Ich fasste diese und habe wiederholt auf ihn geschossen“, wird sie in der Tageszeitung Hürriyet zitiert.

Frauen berichten über sexuelle Übergriffe

„Warum sollen immer die Frauen sterben? Ich habe für meine Ehre getötet“, habe sie nach ihrer Festnahme den Polizisten gesagt. Ihr Mann habe sie schon seit Jahren misshandelt. Mehrfach habe sie versucht, sich zu trennen. Doch weil sie keine Unterstützung hatte und wegen der gemeinsamen Tochter sei sie geblieben.

Warum sollen immer die Frauen sterben? Ich habe für meine Ehre getötet

Dogans Schicksal hätte im Sommerloch verschwinden können, denn in der Türkei ist Gewalt gegen Frauen so alltäglich, dass die meisten Todesmeldungen gleichgültig oder mit Resignation aufgenommen werden. Doch seit am 11. Februar im südosttürkischen Mersin die Studentin Özgecan Aslan in einem Minibus von dem Fahrer ermordet wurden, ging ein Aufschrei durch das Land. Unter dem Hashtag #sendeanlat (“Erzähl auch du“) teilten Frauen ihre Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen, millionenfach wurde über das Problem der häuslichen Gewalt diskutiert. Die Türkinnen hatten genug von dem rückständigen Frauenbild, das von der Regierung und insbesondere in den Reden des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan propagiert wird.

Weil auch Cilem Dogan sich dagegen wehrte, nach eigener Aussage für ihre Ehre morderte, und kein klassisches Opferbild abgeben mag, erhält sie in den sozialen Medien vollste Unterstützung. „Cilem D. ist unser Stolz,“ kommentierte ein Userin. Viele Nutzer twittern, sie habe das Recht gehabt, ihren Peiniger zu erschießen. „Sie hat sich selbst verteidigt, was hätte sie sonst machen sollen? Sie hat den Mann mit seiner eigenen Waffe erschossen“, twitterte ein User. „Du bist nicht alleine“, schreibt eine andere Userin. Eine andere twitterte: „Ich liebe diese Frau.“

Doch trotz der breiten gesellschaftlichen Diskussion wird wohl auch der zweite digitale Aufschrei binnen wenigen Monaten nichts ändern in der Türkei; die Zahlen sprechen traurigerweise für sich: Laut der Medienorganisation Bianet ist Gewalt gegen Frauen die Haupttodesursache unter Frauen von 15 bis 44 Jahren.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • mit gleichgültigkeit werden die meldungen nicht aufgenommen. das ist unsinn. es gibt mittlerweile eine debatte darum und auch sondersendungen und spots die im werbeblock am anfang oder ende laufen und für diese problematik sensibilisieren. wie übrigens auch für gute ernährung, rauchfreies leben und rücksicht im straßenverkehr. hier gibt es bedarf, aber resignation sieht anders aus.

  • "Zahlreiche Handlungen, die Frauen als Verletzung ihrer sexuellen Selbstbestimmung ansehen, sind […] im Sexualstrafrecht nicht erfasst", schreibt Christian Rath gerade über Deutschland. Der aktuelle Justizminister will das ändern. Er baut zu diesem Zweck den § 179 um, der den "sexuelle[] Missbrauch widerstandsunfähiger Personen" sanktioniert. Dass ein geänderter § 179 in einem Fall wie dem von Cilem Dogan allerdings irgendwem helfen kann, glaube ich eher nicht.

     

    Was hat eine Pistole unter einem Kopfkissen verloren? Wie weit war es aus dem Schlafzimmer zur nächsten Polizeistation? Und wann wäre der Verhandlungstermin gewesen?

     

    Wenn in einer Gesellschaft insgesamt ein Klima der Gewalt vorherrscht, nützen die besten Gesetze nichts. Erwachsene, gesunde Menschen wollen nun mal selten "widerstandsunfähigen Personen" sein, die sich von irgendeinem Staat beschützen lassen müssen. Wenn die Gesellschaft ihnen oft genug erzählt hat, dass gewaltfreier Widerstand kein echter Widerstand ist, werden aus "klassischen Opfer[]" all zu leicht unorthodoxe - die dann als "Heldin" gefeiert werden. Das ist dann nämlich eine Frage der Ehre. Männer, die morden, weil sie sich als Opfer fühlen, sind schließlich ein Klassiker. In der Light-Version zünden sie auch erst einmal bloß leerstehende Gebäude an.

     

    Die Aufschrift auf dem T-Shirt des wehrhaften Opfers Cilem Dogan sollte jedenfalls nicht nur dem türkischen Saat zu denken geben, sondern auch dem deutschen. Vor allem aber müssten sie allen Gesellschaften ein Anlass sein sich zu fragen, welche Art von Helden sie wollen. Ehrenmorde galten bisher als nicht mehr ganz zeitgemäß. Bleibt das so? Oder sind türkische Internet-Nutzerinnen konservativer als sie selber glauben?

     

    Cilem Dogan denkt, sie hat gelernt aus der Vergangenheit. Ich denke, sie irrt sich. Es ist nicht all zu weit von Adana zum IS. Und von Reichertshof und Meißen bis nach Auschwitz auch nicht. Ich, jedenfalls, bin nicht "bereit".

    • @mowgli:

      Ich bin kein Befürworter der Selbstjustiz. Unter den im taz-Artikel beschriebenen Umständen liegt es aber zumindest nahe, dass sich Frau Dogan in einer Notwehrsituation befand. Zu klären wäre, ob die Tötung des Ehemanns in dieser Situation verhältnismäßig war. Dass die türkische Polizei konsequent strafrechtlich zugunsten dieser Frau interveniert hätte und eine solche Intervention die für Frau Dogan bestehende Gefahrensituation nachhaltig entschärft hätte , wage ich allerdings aus den oben dargelegten Gründen zu bezweifeln.

      Zur Situation von Frau Dogan findet sich im taz-Artikel der Hinweis: „Ihr Mann habe sie schon seit Jahren misshandelt. Mehrfach habe sie versucht, sich zu trennen. Doch weil sie keine Unterstützung hatte und wegen der gemeinsamen Tochter sei sie geblieben.“ - Frau Dogan hat offensichtlich aus einer verzweifelten Gesamtsituation heraus spontan gehandelt, um einer für sie unerträglich gewordenen Situation ein Ende zu machen.

       

      In letzter Konsequenz läuft die Argumentationslinie Ihres Kommentars auf eine Täter-Opfer-Umkehr hinaus. Naheliegend wäre daher die Frage, welche Motivation Sie dazu bringt, so viel Verständnis für den gewalttätigen Ehemann von Frau Dogan aufzubringen und so wenig Empathie für Frau Dogan. Das könnte für Sie dann auch Anlass sein, Ihr Frauenbild einmal grundsätzlich einer realistischen Prüfung zu unterziehen.

    • @mowgli:

      „Wie weit war es aus dem Schlafzimmer zur nächsten Polizeistation? Und wann wäre der Verhandlungstermin gewesen?“ - Wie steht es mit Ihren Kenntnissen des türkischen Rechtssystems und der türkischen Polizei? Sie unterstellen offenbar ähnliche rechtsstaatliche Standards und Unabhängigkeit wie in Deutschland. Das allerdings hat mit der Realität – auch unter der AKP-Regierung - wenig zu tun. Siehe hierzu etwa Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Polizei_%28T%C3%BCrkei%29#Kritik in der Rubrik „Menschenrechtsverletzungen“. Den Hinweis im taz-Artikel, wonach in der Türkei Gewalt gegen Frauen so alltäglich sei, dass die meisten Todesmeldungen gleichgültig oder mit Resignation aufgenommen würden, haben Sie offenbar geflissentlich überlesen, denn auch diese Tatsache spricht nicht gerade dafür, dass Gewalt gegen Frauen durch die türkische Polizei und Justiz konsequent geahndet wird.

       

      „Erwachsene, gesunde Menschen wollen nun mal selten "widerstandsunfähigen Personen" sein, die sich von irgendeinem Staat beschützen lassen müssen.“

      - Erwachsene Menschen müssen sich in der Realität aber leider immer mal wieder der Tatsache stellen, dass sie sich in einer Situation befinden, in der sie tatsächlich widerstandsunfähig sind, auch wenn sie sich nicht durch irgendein Gebrechen ständig in einer Situation befinden, die sie gegen Übergriffe Dritter widerstandsunfähig macht. Und spätestens, wenn man sich selbst – womöglich gänzlich unerwartet – als gesunder und grundsätzlich wehrhafter Mensch in einer solchen bedrohlichen Situation wiederfindet, wird man dankbar dafür sein, wenn ein Staat strafrechtlich relevantes Verhalten konsequent verfolgt und den Täter für sein Verhalten zur Rechenschaft zieht.

    • @mowgli:

      Wow ... gleich der erste Kommentar pullt nen Godwin ...

       

      Zum Artikel: " .... denn in der Türkei ist Gewalt gegen Frauen so alltäglich, dass die meisten Todesmeldungen gleichgültig oder mit Resignation aufgenommen werden."

       

      Da können wir ja froh sein, dass das bei uns gaaanz anders ist ... pft ...