Türkei: Gül lässt weiter wählen
In der ersten Runde zur Wahl des neuen türkischen Präsidenten verfehlt AKP-Kandidat die nötige Mehrheit.
ISTANBUL taz Bei der ersten Runde zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten der Türkei hat der Favorit, Außenminister Abdullah Gül, die notwendige Zweidrittelmehrheit verfehlt. Gül erhielt 241 der 550 Stimmen, was exakt der Zahl der Abgeordneten seiner AKP entspricht. Damit wird Ende der Woche ein zweiter Wahlgang und wahrscheinlich auch noch ein dritter nächsten Dienstag notwendig, weil erst in der dritten Runde eine einfache Mehrheit ausreicht.
Anders als im Mai, wo Gül daran scheiterte, dass die Opposition die Wahl boykottierte und so verhinderte, dass überhaupt genügend Abgeordnete präsent waren, war dieses Mal das Plenum gut besetzt. Von den vier Oppositionsparteien blieb nur die kemalistische CHP fern. Die rechtsradikale MHP hatte allerdings einen eigenen Kandidaten aufgestellt, und selbst die linke Splittergruppe DSP nominierte in letzter Minute noch einen eigenen Mann. Die Kurden, die vor der Wahl ankündigten, sie könnten sich vorstellen, Gül zu wählen, hielten sich diesmal zurück.
Dass Gül am Montag noch nicht gewählt wurde, wird ihn kaum überrascht haben. Die Kandidatur des Außenministers ist höchst umstritten. Gül wird vom laizistischen Lager strikt abgelehnt. Im April drohte gar das Militär indirekt mit Putsch. Der fromme Muslim, dessen Ehefrau Hayrünisa Kopftuch trägt, gilt in weiten Kreisen der Gesellschaft als Gefahr für die Trennung von Staat und Religion. Obwohl Gül immer wieder betonte, er werde sich als Staatspräsident neutral verhalten und das Verfassungsprinzip des Laizismus verteidigen, befürchten viele Türken unter Gül eine schleichende Islamisierung.
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