Türkei gegen PKK: Grünes Licht für Militäraktion
Um die PKK wirksamer zu bekämpfen, genehmigt die türkische Regierung den Einmarsch im Nordirak. Ein hochriskanter Schritt, meinen Analysten.
ISTANBUL taz Nach zweitägigen intensiven Diskussionen hat die türkische Regierung am Mittwoch beschlossen, der Militärführung grünes Licht für grenzüberschreitende Aktionen in den Nordirak zu geben. Damit hat die Regierung von Ministerpräsident Tayyip Erdogan einem monatelangen Drängen des Generalstabs stattgegeben.
Generalstabschef Yasar Büyükanit hatte bereits im Mai gefordert, die Regierung solle den Militärs die Zustimmung für einen Angriff auf die Basen der separatistischen kurdischen PKK im Nordirak geben. Damals hatten Erdogan und sein Außenminister Abdullah Gül dies abgelehnt und auf Verhandlungen mit Iraks Regierung gesetzt. Nachdem diese de facto am Veto der autonomen nordirakischen Regionalregierung unter Massud Barsani gescheitert waren und die PKK allein am Wochenende 15 türkische Soldaten getötet hat, gingen Erdogan nun offenbar die Argumente aus. Ein Großteil der Bevölkerung will endlich Erfolge im Kampf gegen die PKK sehen. Da scheint eine Militäraktion im Nordirak das Naheliegende. Denn ohne Rückzugsmöglichkeit über die Grenze, so das Argument der Militärs, wären die Kämpfer der PKK längst aufgerieben oder gefangen genommen.
Ob nun unmittelbar Angriffe auf die PKK-Lager im Nordirak erfolgen werden, blieb zunächst unklar. Den meisten Kommentatoren und Experten ist bewusst, dass Einsätze der türkischen Armee im Nordirak mit einem hohen Risiko verbunden sind. Zum einen ist zu erwarten, dass die PKK ihre Lager in den Kandil-Bergen im Nordirak räumt und sich im Land verteilen wird, so dass Luftangriffe weitgehend wirkungslos bleiben dürften. Zum anderen haben Barsani und andere Vertreter der nordirakischen Kurden schon vor Monaten angekündigt, dass sie sich mit ihren Truppen jedem türkischen Einmarsch widersetzen werden. Die PKK, schrieb der bekannte Analyst Ali Mehmet Birand, will die Türkei ja gerade in den irakischen Sumpf locken.
Der schlimmste Fall aber wäre ein Zusammenstoß mit US-Truppen. Bislang haben die USA sich kategorisch dagegen ausgesprochen, dass türkische Truppen im Nordirak gegen die PKK vorgehen. Die Region ist der einzig relativ sichere Ort für US-Amerikaner im Irak. Die USA wollen deshalb auf keinen Fall ihre kurdischen Verbündeten brüskieren. Daher haben die USA trotz intensivem Drängen der Türkei die PKK im Nordirak bislang toleriert, obwohl sie die PKK doch auf die Liste der zu bekämpfenden terroristischen Organisationen gesetzt haben. Ministerpräsident Erdogan will im kommenden Monat in Washington US-Präsident George W. Bush treffen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass es bis dahin zwar einzelne Grenzverletzungen und Verfolgungen von PKK-Militanten auf irakisches Gebiet geben wird, aber keinen größer angelegten Einmarsch in den Nordirak.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!