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Tür an Tür mit Berlins Innensenator

In Berlin läßt CDU-Senator Jörg Schönbohm Häuser und Wagenburgen räumen. Das rächt sich: In seinem Wohnort Kleinmachnow in Brandenburg rücken ihm Berliner Hausbesetzer auf die Pelle  ■ Aus Kleinmachnow Kathi Seefeld

Berlins Innensenator, Exgeneral Jörg Schönbohm (CDU), wohnt seit einiger Zeit im Brandenburgischen. Sein Haus ist knallgelb. „Kein Kleinmachnower würde sein Haus so anstreichen lassen“, flucht Ramon, 18 Jahre alt und natürlich Kleinmachnower. „So was paßt hier überhaupt nicht her.“

Sauer sind auch eine Handvoll BesetzerInnen aus Berlin, die den etwa 11.000 Kleinmachnowern vor zwei Monaten ihre erste Hausbesetzung bescherten. Gut hundert Meter Luftlinie vom schönbohmschen Anwesen entfernt, ließen sie sich in einer leerstehenden Villa am Zehlendorfer Damm nieder. „In Berlin entpuppt sich Herr Schönbohm als der absolute Saubermann“, berichtet die Westberlinerin Stups, die schon in Ostberlin Häuser besetzt hat. „Überall werden Leute wie wir fortgejagt.“

Vor drei Tagen mußte die größte Wagenburg Berlins hinter der East Side Gallery an der Spree dran glauben, nur kurz vorher räumten 200 PolizistInnen ein Haus in der Friedrichshainer Kreutzigerstraße, in dem obdachlose Kinder und Jugendliche gelebt hatten. Für Stups ist die Besetzung eines Hauses direkt vor den Augen des Innensenators eine logische Antwort auf dessen „Vertreibungspolitik“. Schönbohm wiederum fühlt sich, wie er durch seine Pressestelle mitteilen ließ, von den neuen Nachbarn in keiner Weise belästigt. Viel unternehmen kann er als Berliner Innensenator gegen seine neuen Nachbarn in Brandenburg aber ohnehin nicht.

Kleinmachnow, das früher, noch vor dem Mauerbau, als eine der attraktivsten Wohngegenden im brandenburgischen Speckgürtel von Berlin galt, steht zu 80 Prozent unter dem Druck von Rückübertragungsansprüchen. Das Haus, in dem jetzt die „jungen Leute mit den bunten Haaren wohnen“, wie eine Kleinmachnowerin sie nennt, stand sechs Jahre leer, drohte zu verfallen. „Schuld sind die Wessis, die Spekulanten“, meint der 20jährige Ingo. „Die wenigsten wollen in ihren rückübertragenen Häusern künftig auch wohnen. Sie wollen größer, moderner bauen, Mieten einnehmen, die wir nicht aufbringen können.“

Ekkard Dähne, Leiter des Ordnungs- und Rechtsamtes der Kommune, kennt die Probleme. „Leider sind die vorhandenen Gesetze kein sehr scharfes Schwert gegen Leerstand und andere Sorgen.“ So gelte auch für Kleinmachnow als „Gebiet mit erhöhtem Wohnbedarf“ die Verordnung, wonach Wohnungen nicht zweckentfremdet werden und leerstehen dürfen. Dabei stehen mindestens zwanzig Häuser, nach Aussagen der BesetzerInnen sogar 46, leer. „Wir haben alle Eigentümer angemahnt“, versichert Dähne. „Aber die Vorhaben der Bauherren in Sachen Umbau, Abriß usw. stoßen auf die von der Gemeinde beschlossene Veränderungssperre.“ Sprich, die Eigentümer können nicht so bauen, wie sie manchmal gerne möchten. Das Tauziehen kann bis zu vier Jahren dauern.

Angesichts der angestauten Wut gibt Innensenator Schönbohm dann auch für die KleinmachnowerInnen einen guten Stellvertreterwessi ab. Seine Frau gehe niemals im Ort einkaufen, die Briefträgerin müsse sich vor seinem Haus immer ausweisen, und von der brandenburgischen Polizei rund um die Uhr bewacht würde sein Anwesen auch, beklagt sich einer. Einige KleinmachnowerInnen lassen sich dann auch schon zu wahren Sympathiebekundungen für die HausbesetzerInnen hinreißen, bringen Lebensmittel und Mobiliar vorbei. Für Ramon ist der massive Schutz des Schönbohm- Anwesens rausgeschmissenes Geld. „Unsere Steuergelder“, empört er sich. Seine Eltern hätten seit zwölf Jahren viel in ihr Haus investiert, erzählt er. Sie sind im Besitz der DDR-üblichen Nutzungsurkunde, ins Grundbuch eingetragen wurden sie jedoch nicht. „Nach der Wende meldete sich die Frau bei uns, der das Haus vor 1961 gehörte. Nach so vielen Jahren. Gut, als sie sah, daß alles ordentlich in Schuß war, hätte sie uns alles am liebsten geschenkt, aber ihre drei Töchter wollten Geld sehen.“

550.000 Mark hätten Ramons Eltern aufbringen müssen, um zum Vorzugspreis Eigentümer zu werden. „Das konnten wir uns nicht leisten. Letztlich ging das Haus für mehr als 700.000 Mark weg. Zum 30.7.97 wurde uns gekündigt.“ Ramon versucht, gelassen zu wirken. Seine Familie werde in ein Haus außerhalb des Ortskerns ziehen, dahin, wo mit Fördermitteln des Staates „Fertigteilheime“ errichtet werden sollen. Doch von den 250 an Fördermitteln interessierten Kleinmachnowern sollen nur 16 Unterstützung bekommen haben. „Dafür reicht die Kohle dann natürlich nicht.“ Wütend beißt der Junge in sein Cordon bleu, flucht, wie es sein Vater tun würde, auf die Wessis und stürzt sich wieder ins Gewimmel der „Schönblöd-Abtrittsparty“ – bei den Westberliner Hausbesetzern, die dort offensichtlich nicht mehr in die „Wessi- Kategorie“ fallen.

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