Tschechische Neonazis: Guter Draht nach Sachsen
Prager Rechtsextreme sind bislang zersplittert und führerlos. Dafür sind sie gut mit deutschen Nazis vernetzt.
PRAG taz Eine Provokation wurde zur PR-Kampagne: Noch nie haben tschechische Medien so viel über die Neonazi-Szene geschrieben wie in den letzten Tagen und Wochen. Die Idee der rechtsextremen "Jungen Nationaldemokraten", am Jahrestag der Reichspogromnacht durch das jüdische Viertel Prags zu marschieren, erregte nicht nur die Gemüter, sondern sorgte auch für Schlagzeilen.
Blieben die Neonazis noch vor kurzem lieber unter sich -bei Skinhead-Konzerten in böhmischen Dörfern zum Beispiel - drängt es sie jetzt an die Öffentlichkeit. "Sie testen ihre Grenzen aus", glaubt der Extremismusforscher Miroslav Mareð von der Masaryk-Universität in Brünn.
Rund 5.000 Neonazis gibt es in Tschechien. Sie bekennen sich, wie zum Beispiel die Anhänger der größten Neonazi-Gruppierung Národní odpor (Nationaler Widerstand), zur Ideologie Hitlers und verehren Holocaust-Leugner. "Die tschechische Szene hat enge Kontakte nach Deutschland, konkret nach Sachsen", weiß Mareð.
Auch am rechten Rand blüht so die europaweite Zusammenarbeit. "Die Neonazis glauben an eine panarische Ideologie", sagt Mareð. Längst modifiziert sei die ursprüngliche Rassenlehre: "Das Ariertum reicht inzwischen bis nach Bulgarien."
Noch ist die tschechische Neonazi-Szene zersplittert. Außer dem "Nationalen Widerstand" und den "Jungen Nationaldemokraten" gibt es die "Nationale Vereinigung", die "Arbeiterpartei" und die "Vaterländische Front". "Sie haben weder Geld noch Kraft für organisierte destruktive Aktionen", glaubt der tschechische Verfassungschutz BIS. Vor allem fehlt den Neonazis der Führer. "Sie haben weder eine einheitliche Organisation noch eine Person, die sie lenkt", weiß der BIS.
Doch auch inhaltlich gibt es Differenzen. "Die streiten sich untereinander noch um die tschechische Geschichte. Über den Beitrag der Hussiten zur Herausbildung der tschechischen Nation", sagt Extremismusforscher Mareð. Abzuwarten bleibt, wie viele Mitglieder die Ende Oktober gegründete Nationalgarde anzieht. Technisches Hilfswerk und Bürgerwehr zugleich soll diese einmal sein. Innenminister Langer jedoch wehrt ab: "Die Nationalgarde bedeutet gar nichts." Nur ein weiterer PR-Streich?
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