Trumps Rede zum 4. Juli: Weiter so, Mr President!
Trumps Polarisierung hat vor der Corona-Krise der USA funktioniert. Jetzt geht es vielen Amerikanern schlechter – sein Wahlkampf stößt an Grenzen.
D onald Trumps Auftritt zum 4. Juli in Washington hat Spaltung, Wut und Angst verbreiten wollen: Spaltung der Gesellschaft in „die“ und „wir“, Wut auf all die angeblichen Linksradikalen und Schwarzen, die die glorreiche Geschichte des Landes infrage stellten, und Angst vor einer Machtübernahme durch die Demokraten. Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen. Man kann diesen narzisstischen Präsidenten zum hundertsten Mal verdammen, für unfähig erklären und die Gefahren heraufbeschwören, die von diesem Mann ausgehen. Das entspricht zweifellos der Realität.
Man kann diese furchtbare Rede aber auch positiv sehen: Donald Trump fällt nichts mehr ein, obwohl ihm angesichts seiner Umfragewerte dringend etwas einfallen müsste.
In einer der größten Wirtschaftskrisen der US-Geschichte, während einer Pandemie, die weiter um sich greift, in Zeiten, in denen viele Menschen nicht länger dazu bereit sind, institutionellen Rassismus zu akzeptieren, macht der Präsident das, was er immer macht, und offenbar auch das Einzige, was er kann: Er polarisiert. Trump setzt damit einzig auf seine angestammte Wählerklientel und unternimmt nicht einmal den Versuch, abtrünnige Republikaner und Unabhängige für sich einzunehmen.
Im Gegenteil: Millionen Ältere und Vorerkrankte erklärt Trump indirekt zu Idioten, wenn er behauptet, 99 Prozent aller Coronafälle seien „komplett harmlos“. Trumps Strategie hat funktioniert, solange es den USA gut ging, die Wirtschaft wuchs und die Arbeitslosigkeit gering war. Jetzt, da viele Amerikaner ganz subjektiv feststellen müssen, dass es ihnen schlechter geht als zuvor, stößt diese Art Wahlkampf an ihre Grenzen. Als glaubwürdig konnten Trumps Äußerungen nur so lange durchgehen, wie sie der Lebensrealität ihrer Adressaten nicht diametral widersprachen. Dies ist jetzt aber der Fall.
Damit ist noch lange nicht gesagt, dass einer der unfähigsten Präsidenten in der Geschichte dieses großartigen Landes im November auch abgewählt wird. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür steigt. Deshalb kann es nur heißen: Weiter so, Mr President!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag